Saturn
über diese Welt sammeln, als
sämtliche Wissenschaftler auf der Erde während ihres ganzen
Lebens anzuhäufen vermocht hatten. Bevor die jungen und
dynamischen Nachwuchskräfte die Ionentriebwerks-Schiffe
auch nur besteigen, werde ich schon Daten von Titan senden.
Und von der Wolkenschicht des Saturn. Und von den
Eisringen.
Vielleicht wird mein Leben doch nicht vergeudet sein, sagte
Edouard Urbain sich. Vielleicht werde ich diesmal einen
Volltreffer landen. Vielleicht werde ich doch noch einen
Nobelpreis einheimsen.
Vielleicht, sagte er sich, wird sogar Jeanne-Marie zu mir
zurückkehren.
In der Werkstatt, wo er und sein Team arbeiteten, führte
Manuel Gaeta Kris Cardenas um seinen EVA-Anzug herum.
Von Helmholtz und seine vier Techniker standen an den
Bänken, die zwei Wände des Raums säumten; sie
beobachteten, wie ihr Chef und die Nanotech-Expertin
langsam um den schweren und klobigen Anzug herumgingen
und ihn inspizierten, als handele es sich um eine neue
Garderobe für Frankensteins Monster.
Sie war mit einem Köfferchen im Labor erschienen, das sie
neben der Tür auf den Boden gestellt hatte, als Gaeta zu ihrer
Begrüßung erschienen war. Die Techniker hielten sich davon
fern.
Nun schauten sie und Gaeta zum Anzug auf, dessen Kopf-
und Schulterpartie sie überragte. Sie glänzte im Licht der
Deckenbeleuchtung.
»Was für ein Ungetüm«, murmelte Cardenas. Mit dem Helm
und den Gelenk-Armen erinnerte der Anzug sie an eine
mittelalterliche Ritterrüstung.
»Er muss so groß sein«, sagte Gaeta, während sie langsam
um den Anzug herumgingen. »Steckt nämlich viel Ausrüstung
drin.«
»Vielleicht auch noch Platz für eine Bar«, witzelte sie.
»Nee«, erwiderte Gaeta mit einem verschmitzten Grinsen.
»Es ist nur so viel Platz, dass ich mich reinquetschen kann. Der
Rest ist ausgefüllt mit Sensoren, Kameras, VR-Transmittern,
Servomotoren für die Bewegung der Arme und Beine,
Strahlenschutz, Lebenserhaltungs-Systemen…«
»Systeme? Plural?«
»Aber sicher. Redundante Systeme müssen sein. Wenn eins
ausfällt, springt das nächste ein.«
Cardenas schaute aufs glänzende Finish des Anzugs. »Ist das
Cermet?«
»Zum Teil«, sagte Gaeta. »Er besteht außerdem aus vielen
Organometallen. Und er hat Halbleiter-Oberflächen, die von
Borosilikaten und Buckminsterfulleren geschützt werden.«
»Und wie zieht man ihn an?«
Er führte sie zur Rückseite des Anzugs. »Man steigt durch
die Luke ein.«
»Wie der Eingriff in eine altmodische lange Unterhose!«,
sagte Cardenas lachend.
Gaeta neigte den Kopf auf die Seite. »So habe ich das zwar
noch nie gesehen, aber wo Sie es nun sagen ‒ ja, sie haben
Recht. So in der Art.«
»Würden Sie mir zeigen, wie man dort einsteigt?«, fragte
Cardenas wieder sachlicher.
»Sicher. Sie möchten hinein? In Ordnung, ich werde Ihnen
dabei helfen.«
Cardenas schüttelte den Kopf. »Nein. Sie steigen ein.« Mit
einem Kopfnicken wies sie in Richtung des Köfferchens, das
sie an der Tür zurückgelassen hatte. »Dann werde ich nämlich
Proben von den Rückständen nehmen, die Sie an der
Außenseite hinterlassen haben.«
»Proben?«
»Wenn Sie Nanomaschinen haben wollen, die spezifisch auf
die Beseitigung Ihrer Rückstände programmiert sind, muss ich
genau wissen, woraus sie bestehen ‒ bis hinunter auf die
molekulare Ebene.«
Gaeta nickte verstehend. »In Ordnung. He, Fritz, ich muss in
den Anzug!«, rief er von Helmholtz zu.
Von Helmholtz und die vier Techniker gingen zum Anzug.
Der Cheftechniker hielt inne und fragte: »Dr. Cardenas,
brauchen Sie vielleicht Ihren Koffer?«
»Ja, den werde ich brauchen. Danke.«
Er brachte Cardenas das Köfferchen, während zwei der
Techniker die Luke des Anzugs öffneten und die anderen zwei
die Kontroll-Computer hochfuhren, die an der anderen Seite
des Labors standen.
»Sie wollen aussteigen, wenn wir Jupiter passieren?«, fragte
Cardenas Gaeta, während von Helmholtz ihr den Koffer gab.
»Ja. Ein paar Millionen VR-Zuschauer werden das Erlebnis
des Vorbeiflugs am Jupiter mit uns teilen. Das wird vielleicht
ein Spaß.«
»Den Jupiter-Swingby auf einem Weltraumspaziergang
beobachten. Das würde ich selbst gern erleben«, sagte
Cardenas.
Die Techniker entriegelten die Luke an der Rückseite des
Anzugs, und Gaeta ging zu ihnen hinüber. »Sicher, wieso
nicht?«, sagte er über die Schulter zu Cardenas. »Fritz, du bist
doch fähig, eine VR-Ausrüstung zu improvisieren,
Weitere Kostenlose Bücher