Saturn
Diensten sein. Natürlich wird er kandidieren. Und er
wird auch gewinnen, sofern es Ihnen nicht gelingt, die
Ingenieure und Techniker hinter sich zu versammeln.«
Timoschenko schüttelte den Kopf. »Ich interessiere mich
nicht für Politik«, wiederholte er. Aber er blieb trotzdem
sitzen, hörte Jaansen zu und schaute zu, wie er die Zahlen in
den Palmtop tippte.
Eine halbe Stunde später, auf der anderen Seite der vollen und
lauten Cafeteria, schickte Edouard Urbain sich an, die
Mahlzeit zu beenden und ins Büro zurückzugehen. Die kalte
Kartoffelsuppe war ein fader Aufguss einer Vichyssoise. Er
hatte keine anständige Mahlzeit mehr genossen, seit er
Montreal verlassen hatte. Wilmot hat natürlich kein Gespür
für eine gute Küche. Wenn ich erst einmal Verwaltungschef
bin, werde ich schon dafür sorgen, dass die Köche ihr
Handwerk erlernen.
Es gab tausend Dinge zu tun: Der Bau des Rovers war ins
Stocken geraten, der Jupiter-Swingby stand kurz bevor, und
dieser Eberly wollte eine Verfassung für das Habitat
ausarbeiten und sich selbst zum Verwaltungschef
aufschwingen.
Unmöglich!, sagte Urbain sich, während er die fade Suppe
löffelte. Dies ist eine wissenschaftliche Mission, und dieses
Habitat dient einzig und allein der Wissenschaft. Folglich
muss ein Wissenschaftler den Regierungschef stellen.
»Sind Sie auch schon so aufgeregt wie ich?«
Urbain schreckte auf. Er schaute hoch und sah, wie der
Chefingenieur, der Norweger Jaansen, ihn freundlich
anlächelte. Widerwillig bedeute Urbain ihm, auf dem leeren
Stuhl an der anderen Seite des Tisches Platz zu nehmen.
»Aufgeregt?«, fragte er, als Jaansen den angebotenen Stuhl
nahm.
»Wegen des Jupiter-Swingby.«
»Ach so. Ja, ich glaube schon«, murmelte Urbain, während er
den Rest der Suppe löffelte. Dann bemerkte er, dass Jaansen
kein Essen auf dem Tisch stehen hatte. »Essen Sie denn nicht
zu Mittag?«
»Ich habe schon gegessen«, sagte der Ingenieur. »Ich wollte
gerade gehen, als ich Sie allein hier sitzen sah.«
Urbain hätte es eigentlich vorgezogen, allein zu essen. Aber
er sagte nichts und griff nach der Teetasse. In den Restaurants
wurde eine Art Wein ausgeschenkt. In der Cafeteria aber
nicht.
»Ich vermag an gar nichts anders mehr zu denken als an den
Swingby«, sagte Jaansen. »Und an die Betankungs-Prozedur.
Ich habe alle Punkte des Ablaufs ein Dutzend Mal gecheckt,
aber ich werde trotzdem das Gefühl nicht los, dass ich
irgendetwas vergessen habe.«
»Dafür haben wir schließlich Checklisten«, sagte Urbain
unwirsch.
Jaansen lächelte. »Ja, ich weiß. Aber trotzdem…«
Urbain trank den Tee aus. »Wenn Sie mich entschuldigen
wollen«, sagte er und schickte sich an, aufzustehen.
Jaansen berührte ihn am Ärmel. »Haben Sie noch eine
Minute? Etwas hätte ich gern noch mit Ihnen besprochen.«
»Ich muss ins Labor zurück.«
Jaansen nickte; die eisblauen Augen mit den hellblonden
Wimpern schauten enttäuscht. »Ich verstehe.«
»Eine Minute, sagen Sie?«, gestand Urbain ihm unter dem
Einfluss eines plötzlichen Schuldgefühls zu.
»Vielleicht auch zwei.«
»Was gibt es denn?«, fragte Urbain. Er beugte sich vor, nahm
das Tablett vom Stuhl und stellte das Geschirr drauf.
»Ich brauche Ihre Hilfe. Ihre Anleitung.«
»In welcher Angelegenheit?«
Der Ingenieur schaute sich fast verstohlen um, bevor er
erwiderte: »Sie wissen doch, dass der Leiter der Human
Resources ein Komitee bildet, um eine neue Verfassung für
uns auszuarbeiten.«
»Ja, davon habe ich gehört.«
»Und sobald die Verfassung in Kraft getreten ist, sollen wir
eine Regierung wählen.«
Worauf will er eigentlich hinaus?, fragte Urbain sich und
nickte.
»Ich vermute, dass Sie diese Regierung leiten wollen«, sagte
Jaansen.
»Ach was. Will ich das?«
»Sind Sie bereit, ein solches Opfer zu bringen?«, fragte
Jaansen mit ernstem Blick. »Das wird eine große
Verantwortung sein.«
Urbain wollte etwas sagen; doch dann hielt er inne und
formulierte die Worte im Geiste vor, bevor er antwortete: »Ich
habe schon ernsthaft darüber nachgedacht. Das ist eine große
Verantwortung, da haben Sie völlig Recht. Weil dies jedoch
eine wissenschaftliche Mission ist, muss sie auch von einem
Wissenschaftler geleitet werden. Als Chef-Wissenschaftler
habe ich eigentlich keine andere Wahl. Ich muss die
Verantwortung übernehmen.«
»Vorausgesetzt, die Leute wählen Sie überhaupt«, sagte
Jaansen.
»Natürlich werden sie mich
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