Saturn
Operation ab, bei der er in die obere Schicht von
Jupiters wirbelnden Wolken eintauchte und Isotope aus der
abgrundtiefen Atmosphäre des Planeten schöpfte. Riskant und
aufregend. Und lebensnotwendig.
Fusionsbrennstoff vom Jupiter versorgte nämlich die
Kraftwerke und Nuklearraketen der Zivilisation im ganzen
Sonnensystem, von der Erde bis hin zum Asteroidengürtel
und darüber hinaus.
Damals hatte Tavalera sich noch ein aufregendes Leben
vorgestellt, wo er spannende Missionen in Jupiters Wolken
durchführte und von Schwärmen von Groupies
angeschmachtet wurde. Die Realität war stinklangweilig. Die
spektakulären Tauchgänge in die wirbelnden Wolken wurden
von robotischen Raumfahrzeugen erledigt, die aus der
Sicherheit der Station Gold ferngesteuert wurden. Tavaleras
einzige Flugmission bestand in routinemäßigen Shuttleflügen
und darin, Brennstofftanks zu Schiffen aus der Erde-Mond-
Region oder dem Gürtel zu transportieren. Und die Frauen an
Bord der Station suchten sich die Männer nach dem Kriterium
des Ranges aus, was bedeutete, dass Tavalera ‒ ein popeliger
Ingenieur, der sein soziales Jahr ableistete ‒ ziemlich weit
unten auf der ›Wunschliste‹ stand. Außerdem, sagte er sich
griesgrämig, waren die meisten Frauen eh hässlich, und die
paar hübschen waren wahrscheinlich lesbisch.
Er begann die Missionen zu zählen, zählte die Tage und
Stunden und Minuten, bis er endlich entlassen wurde und
nach Hause fliegen durfte. Diese Mission war besonders
langweilig gewesen: Vier geschlagene Tage lang schleppte er
drei große Brennstoffbehälter zu einem Rendezvous-Punkt mit
dem näher kommenden Habitat, das zum Saturn unterwegs
war. Tavalera war schon seit vier Tagen nicht mehr aus dem
Overall herausgekommen und sah dementsprechend aus. Der
Skipper hat ihn deswegen gefrotzelt und gefragt, ob er denn
nicht mit den Kleidern unter die Dusche gehen wolle.
Schlampe!, sagte er sich.
Alles, was er nun zu tun hatte, war still zu sitzen und die
Anzeigen auf der Steuerkonsole zu beobachten, während der
Skipper die drei großen Tanks zum anfliegenden Habitat
manövrierte. Es war eine schwierige Mission gewesen; sie
hatten den meisten Brennstoff der Graham schon dafür
verbraucht, über den Nordpol des Jupiter aufzusteigen, um
sich der fünfzig Millionen Elektronenvolt-Synchrotron-
Strahlung zu entziehen, die um den Äquator des Planeten
tobte. Dann hatten sie sich weiter als auf allen bisherigen
Missionen vom Jupiter entfernen müssen ‒ ganze zwanzig
Planetendurchmesser in Richtung der Sonne ‒, bis sie die
große Magnetosphäre des Planeten mit der starken Strahlung
verlassen hatten. In der der Sonne abgewandten Richtung
erstreckte der Schweif der Magnetosphäre sich fast bis zur
Umlaufbahn des Saturn.
Der Hauptbildschirm zeigte das Habitat in einer
Falschfarben-Infrarotdarstellung. Tavalera schaute zum
Beobachtungsfenster auf und sah die Goddard von trübem
Sonnenlicht eingerahmt, das vom langen röhrenförmigen
Körper reflektiert wurde. Für ihn hatte das Habitat die
Anmutung eines Abflussrohrstücks, das lautlos durch den
leeren Raum trieb.
»Löse Tank Nummer eins«, sagte der Skipper mechanisch.
Tavalera sah, dass die Freigabelampe grün aufleuchtete. Er
vergrößerte die Darstellung auf dem Bildschirm und sah eine
Armada von Technikern in Raumanzügen und Einmann-
Raumgleitern am anderen Ende des Habitats hin und her
wuseln: Sie warteten darauf, den Kugeltank abzufangen und
ans fliegende Abflussrohr anzuflanschen.
Bei Tank Eins lief alles reibungslos, wie auch bei Tank Zwei.
»Oh, oh«, sagte der Skipper plötzlich.
Tavaleras Herz krampfte sich in der Brust zusammen. Es gab
Probleme.
»Tank Drei hängt«, sagte sie ruhig. »Du wirst rausgehen und
ihn losmachen müssen.«
Vor dieser Eventualität hatte Tavalera sich schon die ganze
Zeit gefürchtet. Er hatte keine Probleme damit, in einem Schiff
durchs Vakuum des Raums zu fliegen, nicht einmal in einer so
winzigen Kiste wie der Graham. Aber mit nichts anderem als
einem dünnen Raumanzug dort draußen zu sein ‒ das machte
ihm wirklich Angst.
Der Skipper klappte das Helmvisier hoch. »Was ist los,
Sonnyboy; hast du mich nicht verstanden?«, fragte sie schroff.
»Steig in einen Anzug! Wir müssen den Tank lösen, bevor
dieses verdammte Habitat außerhalb unserer Reichweite ist.«
Wir, sagte Tavalera sich. Sie sagt, ›wir‹ müssten die Panne
beheben. Aber sie meint nur mich.
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