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Saturn

Saturn

Titel: Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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Operation ab, bei der er in die obere Schicht von
    Jupiters wirbelnden Wolken eintauchte und Isotope aus der
    abgrundtiefen Atmosphäre des Planeten schöpfte. Riskant und
    aufregend. Und lebensnotwendig.
    Fusionsbrennstoff vom Jupiter versorgte nämlich die
    Kraftwerke und Nuklearraketen der Zivilisation im ganzen
    Sonnensystem, von der Erde bis hin zum Asteroidengürtel
    und darüber hinaus.
    Damals hatte Tavalera sich noch ein aufregendes Leben
    vorgestellt, wo er spannende Missionen in Jupiters Wolken
    durchführte und von Schwärmen von Groupies
    angeschmachtet wurde. Die Realität war stinklangweilig. Die
    spektakulären Tauchgänge in die wirbelnden Wolken wurden
    von robotischen Raumfahrzeugen erledigt, die aus der
    Sicherheit der Station Gold ferngesteuert wurden. Tavaleras
    einzige Flugmission bestand in routinemäßigen Shuttleflügen
    und darin, Brennstofftanks zu Schiffen aus der Erde-Mond-
    Region oder dem Gürtel zu transportieren. Und die Frauen an
    Bord der Station suchten sich die Männer nach dem Kriterium
    des Ranges aus, was bedeutete, dass Tavalera ‒ ein popeliger
    Ingenieur, der sein soziales Jahr ableistete ‒ ziemlich weit
    unten auf der ›Wunschliste‹ stand. Außerdem, sagte er sich
    griesgrämig, waren die meisten Frauen eh hässlich, und die
    paar hübschen waren wahrscheinlich lesbisch.
    Er begann die Missionen zu zählen, zählte die Tage und
    Stunden und Minuten, bis er endlich entlassen wurde und
    nach Hause fliegen durfte. Diese Mission war besonders
    langweilig gewesen: Vier geschlagene Tage lang schleppte er
    drei große Brennstoffbehälter zu einem Rendezvous-Punkt mit
    dem näher kommenden Habitat, das zum Saturn unterwegs
    war. Tavalera war schon seit vier Tagen nicht mehr aus dem
    Overall herausgekommen und sah dementsprechend aus. Der
    Skipper hat ihn deswegen gefrotzelt und gefragt, ob er denn
    nicht mit den Kleidern unter die Dusche gehen wolle.
    Schlampe!, sagte er sich.
    Alles, was er nun zu tun hatte, war still zu sitzen und die
    Anzeigen auf der Steuerkonsole zu beobachten, während der
    Skipper die drei großen Tanks zum anfliegenden Habitat
    manövrierte. Es war eine schwierige Mission gewesen; sie
    hatten den meisten Brennstoff der Graham schon dafür
    verbraucht, über den Nordpol des Jupiter aufzusteigen, um
    sich der fünfzig Millionen Elektronenvolt-Synchrotron-
    Strahlung zu entziehen, die um den Äquator des Planeten
    tobte. Dann hatten sie sich weiter als auf allen bisherigen
    Missionen vom Jupiter entfernen müssen ‒ ganze zwanzig
    Planetendurchmesser in Richtung der Sonne ‒, bis sie die
    große Magnetosphäre des Planeten mit der starken Strahlung
    verlassen hatten. In der der Sonne abgewandten Richtung
    erstreckte der Schweif der Magnetosphäre sich fast bis zur
    Umlaufbahn des Saturn.
    Der Hauptbildschirm zeigte das Habitat in einer
    Falschfarben-Infrarotdarstellung. Tavalera schaute zum
    Beobachtungsfenster auf und sah die Goddard von trübem
    Sonnenlicht eingerahmt, das vom langen röhrenförmigen
    Körper reflektiert wurde. Für ihn hatte das Habitat die
    Anmutung eines Abflussrohrstücks, das lautlos durch den
    leeren Raum trieb.
    »Löse Tank Nummer eins«, sagte der Skipper mechanisch.
    Tavalera sah, dass die Freigabelampe grün aufleuchtete. Er
    vergrößerte die Darstellung auf dem Bildschirm und sah eine
    Armada von Technikern in Raumanzügen und Einmann-
    Raumgleitern am anderen Ende des Habitats hin und her
    wuseln: Sie warteten darauf, den Kugeltank abzufangen und
    ans fliegende Abflussrohr anzuflanschen.
    Bei Tank Eins lief alles reibungslos, wie auch bei Tank Zwei.
    »Oh, oh«, sagte der Skipper plötzlich.
    Tavaleras Herz krampfte sich in der Brust zusammen. Es gab
    Probleme.
    »Tank Drei hängt«, sagte sie ruhig. »Du wirst rausgehen und
    ihn losmachen müssen.«
    Vor dieser Eventualität hatte Tavalera sich schon die ganze
    Zeit gefürchtet. Er hatte keine Probleme damit, in einem Schiff
    durchs Vakuum des Raums zu fliegen, nicht einmal in einer so
    winzigen Kiste wie der Graham. Aber mit nichts anderem als
    einem dünnen Raumanzug dort draußen zu sein ‒ das machte
    ihm wirklich Angst.
    Der Skipper klappte das Helmvisier hoch. »Was ist los,
    Sonnyboy; hast du mich nicht verstanden?«, fragte sie schroff.
    »Steig in einen Anzug! Wir müssen den Tank lösen, bevor
    dieses verdammte Habitat außerhalb unserer Reichweite ist.«
    Wir, sagte Tavalera sich. Sie sagt, ›wir‹ müssten die Panne
    beheben. Aber sie meint nur mich.

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