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Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Titel: Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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ebenfalls. Hochnebel hatte schon über Zürich gelegen und hockte auch dick und hartnäckig über der Innerschweiz. Dennoch gefiel Streiff das Bild, es strahlte Ruhe aus; diese Landschaft wusste nichts von zwei Mordfällen in Zürich, nichts davon, was einen Kriminalbeamten innerlich umtrieb. Hier spielten sich andere Dramen ab, von denen wiederum Streiff nichts ahnte und nichts erfahren wollte.
    Streiff war vor 7 Uhr früh losgefahren, einem plötzlichen Entschluss folgend. Fritz Leglers Alibis für beide Tatzeiten schienen wasserdicht. Und doch traute er dem Mann nicht. Leuzinger, Heer, Janine Bianchera, Trümpy – diese Möglichkeiten überzeugten ihn nicht. Waren alle zu weit hergeholt. Jetzt war Streiff auf dem Weg auf die Eggberge, wo Leglers Ferienhäuschen lag. Der Weg führte über Luzern, dem Vierwaldstättersee entlang, durch den Seelisbergtunnel bis nach Flüelen. Streiff kannte die Gegend von früher. Als Kind hatte er Sportwochen auf der Klewenalp verbracht und einmal war er mit Liliane ein paar Tage in Brunnen, auf der anderen Seeseite, gewesen. Er hatte keine Vorstellung davon, was er auf den Eggbergen zu finden hoffte. Ohne die Arbeit der Urner Polizei anzuzweifeln, wollte er sich ein eigenes Bild vom Ort und von den Auskunftspersonen machen. Vielleicht fiel ihm irgendetwas auf, das die Urner, die den Fall nicht kannten, nicht bemerken konnten. Bei Altdorf verließ er die Autobahn und lenkte den Wagen in Richtung Flüelen.
    Wenn er ehrlich war, war die Ermittlungsarbeit nicht der einzige Grund, warum er heute Morgen losgefahren war. Seit zwei Tagen, seit seiner Beichte, hatte er nichts von Valerie gehört. Während der Arbeit gelang es ihm, die Gedanken an sie beiseitezuschieben, aber sobald er sein Büro verließ, stand das Ganze vor ihm, jener unselige Abend mit Anikó, nein, es hatte schon vorher begonnen, sein Argwohn Valerie gegenüber, die dumme Eifersucht, diese böse kleine Unsicherheit, die sich in ihn hineingefressen hatte. So etwas hatte er früher nie erlebt. Mit Anikó war er zusammengekommen, als sie beide 18 gewesen waren. Sie hatten sich geliebt, aber im Laufe der Jahre hatten sie sich auseinanderentwickelt, andere Vorstellungen gehabt vom Leben, einander nicht mehr akzeptieren können. Ob Anikó ihn je betrogen hatte? Er hatte sich diese Frage nie gestellt. War er je eifersüchtig gewesen? Vielleicht auf jenen Studienkollegen, mit dem sie Seminararbeiten geschrieben hatte? Er konnte sich nicht mehr erinnern. Dann hatte er Liliane kennengelernt. Mit ihr hatte ihn vor allem die gemeinsame Arbeit verbunden. Vielleicht hatte er ihr Unrecht getan, weil er sie zwar gern gehabt, aber nicht tief geliebt hatte. Ihre Gemeinsamkeiten hatten nur einige Jahre ausgereicht. Mit Valerie hatte er erst nur eine kurze Affäre gehabt und sie dann ziehen lassen. Nach ein paar Jahren hatte er eine zweite Chance bekommen. Hatte er das jetzt kaputtgemacht? War er einfach ein unfähiger Idiot, was Liebesbeziehungen anging? Die Vorstellung, diese Frage mit ja beantworten zu müssen, erschreckte ihn.
    Er stoppte den Wagen, fast wäre er vorbeigefahren, und bog zwischen den Dörfern Altdorf und Flüelen rechts ein zum Parkplatz der Luftseilbahn, die auf die Eggberge fuhr. Er war noch leer. Es war fast 8 Uhr morgens, zu früh für Ausflügler. Er kaufte sich ein Billett und studierte die Aushänge – Wanderrouten, Ausflugsvorschläge, Restauranttipps –, bis die Glastür aufging und er in die kleine Gondel steigen konnte. Er trug leichte Wanderschuhe, eine Windjacke und einen kleinen Rucksack; niemand hätte in ihm den Polizisten vermutet. Zwei einheimische ältere Männer mit Rucksäcken, die sich in einem fast unverständlich urwüchsigen Dialekt unterhielten, und eine Frau mit einem jungen Boxerhund stiegen ebenfalls zu. Der Hund reckte den Kopf, warf einen Blick hinaus und als er merkte, dass draußen die Landschaft vorüberzog und kein Boden in Sichtweite war, begann er entsetzt zu winseln. Die beiden Männer lachten auf den Stockzähnen, die Frau streichelte den Hund. Streiff nahm es gelassen. Er kannte das, Seppli machte auch immer so ein Theater.
    In dieser Gondel ist also Fritz Legler am Mittwochabend hinaufgefahren, dachte Streiff, nachdem er vermutlich die gleiche Strecke gefahren war wie ich und sein Auto auf demselben Parkplatz abgestellt hatte. Er schaute zurück auf die kleiner werdende Seelandschaft unter ihm. Plötzlich verschwand sie. Die Seilbahn war eine Minute lang im dichten Nebel, dann

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