Saubande: Ein Schweinekrimi (German Edition)
herüber, ohne jedoch auch nur einen Huf zu bewegen. Brunst hob nicht einmal den Kopf, und Cecile schien wirklich nicht da zu sein. »Verdammt, seht ihr nicht, dass die Kerle mich einfangen wollen?«
Die Stangen gruben sich in ihre empfindliche Haut und begannen ihr wehzutun. Kim fing an zu hecheln, als könnte sie so die Angst, die in ihr aufstieg, im Zaum halten. Klar, dass von Che keine Hilfe zu erwarten war, aber vielleicht war Lunke noch in der Nähe und würde sie retten. Und wo war eigentlich Dörthe? Wie konnte sie zulassen, dass man sie entführte? Kim stieß einen gellenden Schrei aus, der jedoch irgendwie in ihrer Kehle erstarb.
Die beiden Männer blickten sich ernst an, als hätten sie endlich begriffen, dass Kim tatsächlich gefährlich war. Ebersbach hatte sich neben dem Transporter postiert und beobachtete das Geschehen aufmerksam. In der einen Hand hielt er eine Zigarette, in der anderen einen kleinen silberfarbenen Apparat.
Kim registrierte, dass sie sich unwillkürlich in Richtung der Ladefläche bewegte. Den Ausbruchsversuch, den sie halbherzig startete, vereitelten die Männer sofort, indem sie ihr mit den Stangen zwei Schläge versetzten. Der Transporter war leer und riesig groß. So einen Wagen nur für sie! Wie kann das sein? fragte sie sich. Dann war sie an der Rampe angekommen. Ihr Herz schlug nun so schnell, dass sie glaubte, gleich umzukippen. Der Mann in dem weißen Kittel verpasste ihr einen Hieb auf den Hinterlauf, so dass sie einen Satz nach vorne machte und ins Stolpern geriet. Sie stürzte und schlug schmerzhaft mit ihrem Rüssel auf den harten Planken auf. Als sie sich umwandte, sah sie ganz weit entfernt Doktor Pik, der ihr traurig nachsah. Ja, so war er, begriff sie plötzlich, immer zu traurig, um wirklich etwas zu tun. Wehmut erfüllte sie, weil sie sicher war, dass sie diese Wiese nie wieder sehen würde, auch wenn sie nicht genau wusste, was man mit ihr vorhatte.
Ebersbach und der Mann im weißen Kittel traten zur Rampe und schauten Kim an. Der Polizist lachte triumphierend, als wäre ihm ein besonderer Coup gelungen. Kim schaffte es nicht einmal, ihm einen bösen Blick zuzuwerfen. Die Rampe, auf der sie stand, begann sich zu bewegen, fuhr langsam in die Höhe, doch da hörte sie schnelle, harte Schritte über den Hof kommen.
Eine Stimme rief: »Was tun Sie da?«
Kim durchflutete eine Woge der Hoffnung. Hatte sie schon einmal eine schönere Stimme gehört? Nein, einen wunderbareren Klang konnte es nicht gegeben.
»He, was soll das?«, fragte Dörthe energisch. Sie blickte über die Rampe, die auf halber Höhe verharrte, in den Transporter und sah Kim an. »Was machen Sie mit meinem Schwein?«
Ebersbach räusperte sich. »Wir wollen das Schwein untersuchen. Ich habe den begründeten Verdacht, dass mit diesem Tier und dem anderen, diesem gefährlichen Wildschwein, etwas nicht in Ordnung ist. Die Tiere könnten sich als eine Gefahr für die Allgemeinheit erweisen.«
Dörthe lachte verärgert auf. »Sie können doch nicht einfach mein Schwein stehlen. Mit der klugen Kim ist alles in Ordnung – das kann ich Ihnen versichern. Weniger sicher bin ich mir allerdings, ob mit der deutschen Polizei alles in Ordnung ist. Ich habe immer gedacht, die Polizei fängt Mörder und nicht Schweine.«
»Ganz recht«, entgegnete Ebersbach, nun ebenfalls verärgert. »Doch im Zuge der Ermittlungen …«
»Lassen Sie sofort mein Schwein wieder frei!« Dörthe wandte sich an den Mann im Overall, der offenbar die Rampe bediente. »Wenn Sie irgendwelche Untersuchungen vornehmen wollen, müssen Sie zuerst mich fragen. Das Schwein wird den Hof jedenfalls nicht verlassen.«
»Frau Miller«, erklärte Ebersbach mit förmlicher Stimme. »Sie stehen noch immer unter Mordverdacht, auch wenn wir Sie vorübergehend freilassen mussten. Daher wäre ich an Ihrer Stelle sehr darum bemüht, die Ermittlungen nicht zu behindern. Es sind Unterlagen aufgetaucht, die Sie schwer belasten. Sie schulden dem Toten mehr als hunderttausend Euro. In seinem Tagebuch hat er Sie der Untreue bezichtigt und …«
Dörthe schob den anderen Mann beiseite und ließ die Rampe wieder herunterfahren. »Das Schwein bleibt auf dem Hof! Nehmen Sie ihm von mir aus hier Blut ab, oder reißen Sie ihm ein paar Borsten aus, damit Ihre tollen Ärzte was zu untersuchen haben! Aber unterstehen Sie sich, es noch einmal abtransportieren zu wollen!«
Kim stand einen Moment unschlüssig da, als die Rampe komplett heruntergefahren war.
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