Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
jage ihr hinterher. »Mach sofort den Mund auf!«
»Ahhhhhhh.«
Nichts zu sehen. Was es auch war – sie hat den einzigen Beweis spurlos verschluckt. Ich lasse es bei einer Verwarnung bewenden.
Zeit für das scharf gewürzte Zitronenwasser. Wieder stoßen wir mit unseren Plastikfläschchen an und nehmen einen Schluck. Der Saft schmeckt süß, mit einem kleinen Cayennepfeffer-Kick.
»Und wie findest du den?«
»Eigentlich ist das alles überhaupt nicht mein Ding«, sagt Julie. »Dafür esse ich einfach zu gern.«
Ich verbringe den Rest des Tages in der Bibliothek über meinen Gesundheitsbüchern. Als ich gegen fünf nach Hause komme, sitzt Julie im Wohnzimmer und hat Lucas auf dem Schoß. Er ist in der apathischen Post-Wutanfall-Phase. Und Julie sieht auch nicht viel glücklicher aus.
»Ich habe Kopfschmerzen. Ich hab nur die Hälfte meiner Arbeit geschafft. Mir geht’s nicht gut. Und obendrein lass’ ich meine Laune auch noch an anderen aus.«
Ich nicke so neutral wie möglich.
»Ich ess jetzt die Reste vom Inder.«
Für Julie war’s das. Sie hat unser dreitägiges Fastenprogramm neun Stunden lang durchgehalten, ihren heimlichen Snack eingerechnet. Julie fastet an Jom Kippur, weil das der Tag der Entsühnung ist, aber das muss dann bitte schön reichen. Die Leute von BluePrint haben eben kein jahrtausendealtes, schuldbeflecktes kulturelles Erbe auf ihren Schultern lasten.
Ich setze die Fastenkur die nächsten zwei Tage planmäßig fort. Dabei entwickele ich eine Art Diätvariante des Stockholm-Syndroms: Die Säfte schmecken mir immer besser, vor allem die Cashew-Milch, die eine dickflüssige, joghurtartige Konsistenz hat. Ich spüre, wie sie in meinem leeren Magen umherschwappt.
Ansonsten hoffe und warte ich auf die eine oder andere geistige Offenbarung. Schließlich erzählen manche Leute, dass Saftfasten ihnen zu gedanklicher Klarheit und mehr Energie verhilft. Was mich betrifft, so kann ich allerdings leider nur drei Effekte feststellen:
Hunger. Ich bin so hungrig, dass mir schon das Wasser im Mund zusammenläuft, wenn ich ein Salatblatt sehe. Ich wiederhole: ein Salatblatt.
Schlechte Laune. Während der Fastenkur rief ich einmal den Kundenservice von BluePrintCleanse an, weil ich sicher war, die falsche Saftkur erhalten zu haben. Die Anfängerkur Renovation anstelle der Fortgeschrittenenkur Foundation . Ich beschwerte mich lauthals. Zu Unrecht, wie sich herausstellte. Prompt bekam ich ein wahnsinnig schlechtes Gewissen. Die armen Mitarbeiter – übellaunigere Kunden als New Yorker auf Hungerkur sind kaum vorstellbar.
Benommenheit. Am dritten Tag brauchte ich fast eine Minute, um eine Telefonnummer zu wählen, und ich verlor andauernd den Faden.
Als die drei Tage um waren, hatte ich Heißhunger auf feste Nahrung – möglichst so fest, dass sich Fensterscheiben damit einwerfen lassen. Ich entschied mich schließlich für eine Kartoffel, die ich in unserem Tischbackofen backte und die ganz köstlich und wunderbar unflüssig war – wenn auch garantiert nicht sehr gesund (zu stärkehaltig).
Seit meiner Saftkur ist eine Woche vergangen. Ich vermisse die Cashew-Milch – ich glaube, ich habe selten etwas Köstlicheres getrunken. Aber fühle ich mich innerlich rein, nachdem ich meinen Körper entschlackt habe? Eigentlich nicht.
Kann sein, dass ich nicht unvoreingenommen genug an dieses Experiment herangegangen bin. Schließlich wusste ich, dass es für die Wirksamkeit von Saftfasten kaum wissenschaftlich fundierte Beweise gibt. Etwas besser sieht die Beweislage aus, was regelmäßiges Fasten im Allgemeinen betrifft. Laut einer 2008 im American Journal of Cardiology veröffentlichten Studie können Fastenkuren das Risiko einer Herzerkrankung verringern.
Doch werden dabei wirklich Giftstoffe aus dem Körper gespült, wie immer behauptet wird? Katherine Zeratsky, an der Mayo-Clinic ausgebildete Ernährungsberaterin, macht in einem aufschlussreichen Artikel mit dem Entschlackungsmythos Schluss: »Die meisten Giftstoffe, die der Körper aufnimmt, werden wirksam und gründlich von den Nieren und der Leber aus dem Körper gefiltert und danach über Urin und Stuhl ausgeschieden.«
Ich glaube, ich werde keine zweite Runde bei BluePrint bestellen. Der Kundenservice wird’s vermutlich mit Erleichterung zur Kenntnis nehmen.
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