Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
insgesamt beim Schreiben zurückgelegte Strecke: 1144 Meilen
Maximale Liegestützleistung: 167 (zugegebenermaßen mit ein paar kleinen Pausen)
Durchschnittlicher Kartoffelverzehr pro Woche: 2 (muss ich mir unbedingt abgewöhnen, wg. Annahme zahlreicher Ernährungswissenschaftler, Kartoffeln seien genauso schädlich wie Haushaltszucker)
Bizeps Curls mit Lucas als Hantel: 33
In zwei Wochen findet mein Triathlon statt. Ich habe Tony, meinen Fitnesstrainer, überredet mitzukommen. Wir werden also in Triumph, Demütigung und milchsäurebedingtem Muskelschmerz vereint sein.
Ich mache jeden Tag mein Training. Und ich mache mir jeden Tag Sorgen. Am meisten Angst habe ich vor dem eiskalten Wasser – eine langgehegte Phobie von mir. Stundenlang habe ich im Internet nach Tipps und Ratschlägen gegen Unterkühlung gesucht. Und so den weltweit einzigen Hersteller elektrisch beheizbarer Wetsuits gefunden. Die Anzüge sind mit zwei ins Neopren eingenähten, etwa keksgroßen Lithium-Batterien ausgestattet. Das könnte funktionieren. Meiner persönlichen Einschätzung nach ist der Tod durch Elektroschock dem Tod durch Erfrieren vorzuziehen. Aber das Teil kostet 1000 Dollar, also legt Julie ihr Veto ein.
Und so blieb mir nichts anderes übrig, als mich mit Plan B abzufinden: Neoprenfüßlinge, Neopren-Kopfhaube und nicht elektrifizierter Ganzkörper-Neoprenanzug. Alles geliehen. Ich nahm meine komplette Ausrüstung für ein Testschwimmen mit ins jüdische Gemeindezentrum. Als ich aus der Umkleidekabine kam, erntete ich komische Blicke. Hatte hier etwa ein Navy SEAL den Auftrag, eine der weißhaarigen Damen vom Aquafit-Kurs zu liquidieren?
Mit den Füßen voran ließ ich mich ins Becken gleiten. Leider lag die Wassertemperatur bei gut 26 Grad. Nicht gerade das, was man braucht, um sich abzuhärten. Aber egal, wo ich schon mal da bin, kann ich ruhig ein paar Runden schwimmen, dachte ich mir. Ich fing an zu kraulen. Woraufhin ein Mann um die 50 sich eine Bahn weiter vor mir in Sicherheit brachte. »Ihr Anzug macht mich nervös«, sagt er. Was mir spontan einen kleinen virilen Kick versetzte.
Im Nicht-Triathlon-Bereich gibt es Neuigkeiten über mein geplantes Interview mit Fitnessguru Jack LaLanne zu vermelden. Sein Presseagent hinterließ mir vorhin eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter.
»Es tut mir sehr leid, aber Jack muss das Interview verschieben. Ihm ist etwas dazwischengekommen.«
Verdammt. Flug und Hotel sind schon lange gebucht. Kann der Mann sich etwa nicht an Vereinbarungen halten? Was ist das bloß für ein komischer Typ? Ich hoffe für ihn, dass es etwas wirklich Wichtiges ist!
Wütend wähle ich die Nummer des Presseagenten.
»Was ist los?«, blaffe ich ihn an.
»Jacks Gesundheit ist angegriffen. Es sieht nicht gut aus.«
»Das tut mir aber leid.«
»Ja, also … Es sieht wirklich nicht gut aus.«
»Oh.«
»Er wird’s nicht mehr lange machen.«
Ich bin gleichzeitig beschämt über meine kleinliche Reaktion und fassungslos über die Nachricht, dass Jack LaLanne im Sterben liegt. Jack LaLanne geht von uns? Das kann gar nicht sein. Hat er doch selbst ein paarmal gesagt: »Sterben – ausgeschlossen. Das würde doch mein Image ruinieren.«
Doch der Presseagent hatte die Wahrheit gesagt. Einige Tage später las ich auf CNN.com : »Fitnessguru Jack LaLanne stirbt im Alter von 96 Jahren.« Dazu war ein Bild von ihm zu sehen, wie er in seinem blauen Overall strahlend dasteht, die Arme zur »Schaut-euch-mal-meine-Muskeln-an!«-Pose erhoben.
Erst mein Großvater, dann LaLanne. Zwei lebenssprühende Männer, kurz nacheinander abberufen, beide im selben Alter.
Ich mache eine Internetrecherche zu den Stichworten »Jack LaLanne + Tod« und stoße auf folgendes Zitat von ihm:
»Ich trainiere grundsätzlich so, als ginge es um die Teilnahme an den Olympischen Spielen oder am Wettbewerb für ›Mr. America‹. So habe ich schon immer trainiert. Das Leben ist ein Schlachtfeld: survival of the fittest. Wie viele Leute kennen Sie, die wirklich gesund sind? Wie viele Leute kennen Sie, die wirklich glücklich sind? Denken Sie mal drüber nach. In Wahrheit arbeiten die meisten Menschen an ihrem Tod, nicht an ihrem Leben. Ich trainiere, weil ich mich dem Leben verpflichtet fühle. Das Training beruhigt mich. Ganz ohne Worte verkünde ich damit ein paar Wahrheiten. Und genau das will ich auch: die Wahrheit verkünden. Dieser Wille hat mich mein ganzes Leben lang auf Trab gehalten.«
Jack zu Ehren gehe ich jetzt ins
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