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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi Wolff
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ist immer dabei.
    Schön, wenn man liebt, was Mutter Natur einem gibt.
    Was kann ich dafür, dass du mich nicht vergisst?
    Ein geselliges Tier ist das Schwein, und das Stachelschwein lieber allein.
    Ohne dich will ich nicht, mit dir kann ich nicht sein.«
    Abends wird immer diese Scheiße gespielt, die ich gut finde, wofür ich mich verachte.
     
    Natürlich kommen wir viel zu spät auf diesem Acker außerhalb von Kiel an. Wo soll denn hier bitte eine Disco sein? Da drüben steht etwas. Ich schalte kurz das Fernlicht ein. Ja, ein Gebäude. Einsam steht es da, ringsherum sind nur Felder, ganz hinten befindet sich ein kleines Wäldchen. Was mich ein bisschen wundert ist die Tatsache, dass in dem Gebäude überhaupt kein Licht brennt. Hier
ist es so einsam und dunkel, wie ich es vorher noch nicht erlebt habe. Fast schon unheimlich. Aber wenigstens habe ich diese Disco wohl gefunden. Was mich auch wundert, ist die Tatsache, keine wummernden Bässe zu hören.
    »Wir haben Glück«, sage ich zum Heuler. »Kommst du mit und suchst die Leute mit den Jacken?« Ich rede ja schon mit ihm wie mit einem
Ehemann
. Das muss ich dringend abstellen. Das fehlt noch, dass ich den Heuler frage, ob er abends zum Essen ein Bier will.
    Der Heuler jedenfalls denkt gar nicht daran, alleine im Auto zu bleiben, das Auto könnte ihn ja beißen, nein, er möchte in meiner Nähe sein und wohnt an meinem Bein. Diese Ruhe hier draußen macht mich verrückt. Noch nicht mal Grillen zirpen. Es ist totenstill.
    Langsam gehe ich mit dem Heuler auf das Gebäude zu, von dem ich immer noch hoffe, dass es die Disco ist, da es ja das einzige Haus weit und breit ist. Na ja, was heißt Haus, je näher ich komme, desto mehr stelle ich fest, dass es eher eine Ruine ist. Aber vielleicht tanzen hier Gothic-Anhänger zu unbeschreiblichen Klängen, und möglicherweise haben sie gerade eine Schweigeminute für einen Kollegen eingelegt, der für irgendeine Sache geopfert wurde.
    Vor dem Haus hebt sich eine Silhouette ab, und als wir das halbverfallene Gebäude erreicht haben, sehe ich, dass ein Mann davorsteht. Sein Gesicht ist nicht zu erkennen. Er ist groß und trägt einen schwarzen, glänzenden Ledermantel mit einer Kapuze. Ich bleibe stehen. Der Heuler auch.
    Der Mann nicht. Er kommt direkt auf uns zu.

6

     
    Mindestens tausend Geschichten von ermordeten Taxifahrern schießen mir durch den Kopf. Geschichten, die ich mir selbst mal ausgedacht habe, weil ich hoffte, dass mir die eine oder andere passieren könnte. Diese Kopfbilder habe ich geliebt. Gerade eben aber bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob ich das alles wirklich erleben möchte. Meiner Phantasie entsprangen einmal diverse Taxifahrer, die man monatelang gesucht und schließlich aufgebläht in einem Stausee gefunden hat, obwohl sie nachweislich gut schwimmen konnten, Taxifahrer, die man wegen fünfzig Euro kaltblütig enthauptete, Taxifahrer, die sich ordnungsgemäß nach ihrer letzten Tour bei der Zentrale abgemeldet haben, um dann nach Hause zu fahren und dort nie angekommen sind, sondern später gevierteilt in einer stillgelegten Tierversuchsanstalt auf Gesellschaft warteten, Taxifahrer, die Leute mit Jacken erkannt haben und dann gar nichts mehr, weil sie gezwungen wurden, eine Zyankalikapsel zu zerbeißen, und das alles nur wegen ein bisschen Geld, und dann Taxifahrer, die …
    Der Mann kniet vor mir auf dem Boden.
»Satan!«
, ruft er. »Satan! Da bist du ja wieder. Wir haben dich schon vermisst.«
    Ich kapiere tatsächlich erst nach einer halben Minute, dass er den Heuler meint. Fassungslos frage ich: »Satan?«, während der Heuler hektisch versucht, ein Loch zu graben, um sich darin zu verstecken. Ich habe beinahe den Eindruck, der Junge schwitzt. Also der Wolf. Man sollte ihn zwingen, Sport zu treiben. Ein Wolf muss doch schlank sein.
    »Das ist Satan.« Der Ledermann steht auf. »Er gehört zu uns.«
    »Das ist ein Wolf«, sage ich. »Und dass er zu Ihnen gehört, kann auch nicht sein. Er ist nämlich erst seit heute hier in dieser Gegend. Das ist der erste Wolf, der seit … «
    »Was wollen
Sie
schon über
mich
wissen?« Der Mann verschränkt die Arme und verengt seine Augen zu Schlitzen. »Gar nichts wissen Sie. Und über Satan auch nichts. Dass das mal klar ist.« Dann mustert er mich von oben bis unten. »Wie sehen Sie überhaupt aus?«
    Ach du Scheiße. In der Hektik habe ich völlig vergessen, mich umzuziehen. Ich muss aussehen wie der letzte Dorftrottel in meiner Tracht.

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