Sauhaxn: Kriminalroman (German Edition)
Mord erinnert, der nicht
stattgefunden hat? Sich einen Mord einbildet?«
»So etwas
ist generell schwer zu sagen. Beeinträchtigungen des Sprachzentrums sind wesentlich
leichter zu bestimmen. Das Gedächtnis ist ein sehr komplexer Teil des Gehirns. Auszuschließen
ist das nie.« Er überlegte einen Moment und fügte dann hinzu: »Was diesen Kerl hier
angeht«, er deutete mit dem Finger auf Moschik und schüttelte traurig den Kopf.
»Ihm geht es nicht gut. Völliger Realitätsverlust. Mit ziemlicher Sicherheit entspringt
alles, was er Ihnen erzählt hat, seiner Fantasie.«
Kommissar
Reichel war für den Augenblick sprachlos.
»Außerdem
scheint er eine Paranoia zu entwickeln, das gefällt mir gar nicht.«
»Paranoia?«
»Er sieht
überall Leichen und Mörder. Er ist fest davon überzeugt, dass er der Nächste ist.«
Der Arzt schüttelte mitleidig den Kopf.
»Danke für
die Information, Doktor …«
»Weisshaupt.
Facharzt für Neurologie.«
»Ja. Vielen
Dank für die Information, Dr. Weisshaupt. Einen schönen Tag noch«, verabschiedete
Reichel sich schließlich unzufrieden und scheuchte Huber aus dem Krankenzimmer.
»Das hat
uns ja gerade noch gefehlt. Ein halluzinierender Zeuge«, meckerte Reichel auf dem
Flur los.
»Trotzdem
würde mich interessieren, wo sich dieser Bachmaier eigentlich aufhält«, antwortete
Huber.
Schaudernd
dachte Reichel an die wogenden Fleischmassen von Bachmaiers Frau.
»Bei der
Frau? Würde mich gar nicht wundern, wenn er abgehauen ist. Vielleicht nach Wien.«
Huber verzog
den Mund. »Was soll er denn in Wien, wenn Klagenfurt vor der Haustür liegt?«
»Ihnen ist
Lendnitz doch auch zu klein.«
»Lendnitz!
Lendnitz ist auch ein Dorf. Wir sprechen hier von der Landeshauptstadt, Chef.«
Reichel
rollte mit den Augen und wechselte das Thema. »Wir fahren jetzt zurück ins Revier
und machen ein Flip-Flop-Ding, das Sie so lieben.«
»Flip-Chart.«
»Was auch
immer, Huber. Wir brauchen eine Vorgehensweise. Wir sollten das Schlosshotel noch
einmal gründlich von der Spurensicherung inspizieren lassen, vor allem den Tiefkühlraum.«
Hubers Augen
leuchteten auf.
»Nur um
zu beweisen, dass dieser Moschik spinnt, Huber. Kein Grund zur Aufregung«, dämpfte
Reichel den aufkeimenden Enthusiasmus seines Kollegen.
»Aber bei
einer Sache bin ich mir sicher: Hinter den Drogen, von denen die lila Alte uns erzählt
hat, steckt die fette Bachmaier. Ich sag Ihnen Huber, die hat einen Plan.«
*
Vor allem hatte Amalie Bachmaier
Durst. Noch nie im Leben hatte sie solch einen Durst gehabt. Schlecht war ihr außerdem
und in ihrem Kopf pochte es, als wäre ein Presslufthammer eingezogen. In ihren Augen
sammelten sich Tränen. Amalie war überzeugt, ihr Elend kam von ihrer Trauer um Karl.
Immerhin waren sie verheiratet gewesen und Amalie hatte gelesen, dass jeder Mensch
auf andere Art trauerte. Amalie vermisste Karl nicht. Kein bisschen. Es gab keinen
Kummer und keine Leere in ihrem Herzen. Dafür war ihre Erinnerung verschwommen,
seit sie die Todesnachricht erhalten hatte. Körperliche Reaktionen und Gedächtnislücken,
das war wohl ihre Art zu trauern.
An einen
Polizisten konnte sie sich erinnern, einen Kriminalkommissar. Trotzdem hatte sie
keine Ahnung, was in den letzten Stunden geschehen war. Seltsam.
Und diese
furchtbaren Kopfschmerzen! Amalie nahm zwei Aspirin und eine Vitamintablette. Danach
begann sie aufzuräumen. Sie putzte das Bad, saugte das Wohnzimmer, wischte den Flur
und machte sich auf den Weg zum Dachboden. Es war schon viel zu lange her, dass
sie die Fotoalben sortiert und den Staub von ihrem Kinderspielzeug gefegt hatte.
Die Schmerztablette hatte ihr gutgetan. Sie fühlte sich deutlich besser.
»Was du
heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen«, sagte Amalie, schnappte
sich einen Staubwedel und stieg die Treppe in den ersten Stock hinauf.
Es war keine
leichte Aufgabe, die schmale Holzleiter, die zum Dachboden führte, aus der Luke
zu ziehen. Als sie die Stufen hinaufkletterte, erinnerte sie sich, warum sie den
Speicher so selten putzte. Es gab ein technisches Problem. Ab der elften Stufe steckte
Amalies Hintern fest.
»Nicht den
Mut verlieren, Amalie«, sagte sie sich. »Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen,
alles eine Sache der Übung.«
Sie atmete
tief ein, dann in drei kurzen Stößen aus. Mit einem Ruck presste sie ihren ganzen
Körper nach unten und landete mit lautem Gepolter am Fuß der Treppe.
Sie rieb
sich den Nacken und funkelte die
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