Sauhaxn: Kriminalroman (German Edition)
beobachtete,
wie die Mafiosi in ihrem dunklen Auto langsam die Straße hinunterfuhren. Sie suchten
sie. Offenbar hatten sie ihre Taktik geändert. Zuerst hatten sie Amalie bloß observiert,
mittlerweile jagten sie ihr nach.
Die Flucht
hatte ihr nicht gut getan. Zuerst Karls Tod und jetzt die Mafia. Wie Aufregung anderen
Menschen auf den Magen schlug, schlug sie Amalie aufs Gedächtnis. Das war die einzige
Erklärung, die sie dafür hatte, dass ihre Erinnerung an die letzten Tage lückenhaft
war. Sie wusste nur noch, dass sie mit dem netten Herrn Moschik einen kleinen Spaziergang
gemacht hatte und plötzlich aus heiterem Himmel verfolgt wurde. Da Amalie oft genug
Teil I bis III von ›Der Pate‹ gesehen und keine Lust hatte, mit Beton an den Füßen
im Wörthersee oder mit einer Drahtschlinge um den Hals in einem einsamen Waldstück
im Rosental gefunden zu werden, hatte sie die Beine in die Hand genommen. Glücklicherweise
schienen die beiden Mafiosi nur Helfershelfer und nicht besonders clever zu sein.
Sonst hätte sie sie wohl kaum mit dem alten ›Der Held versteckt sich und sein Verfolger
läuft unwissend an ihm vorbei‹-Trick abschütteln können. Vorsichtig lugte Amalie
hinter der Mauer hervor. Tatsächlich, weit und breit war nichts von den Verbrechern
zu sehen. Amalie holte tief Luft und begann, die Straße hinunterzulaufen. Dabei
blieb sie, wie sie es aus diversen Filmen gelernt hatte, immer im Schutz der Hecken.
Es war ein
weiter Weg bis zu ihrem Haus und Amalie beschloss, den Hintereingang zu benutzen.
Falls die Mafiosi sich vorn auf die Lauer gelegt hatten, konnte sie ihnen so ein
Schnippchen schlagen. Amalie quetschte sich durch die hohe Hecke, schlich durch
den Garten und fischte den Kellerschlüssel aus einem Blumentopf. Sie schloss die
Tür auf und zuckte beim Quietschen der Angel zusammen. Hatte sie jemanden auf sich
aufmerksam gemacht? Nichts rührte sich und sie machte erleichtert einen Schritt
nach vorn. Sie suchte nach dem Lichtschalter, doch da fiel ihr ein, dass sie die
Neonröhre schon seit Monaten austauschen wollte. Sie atmete einmal tief durch, hielt
die Hände ausgestreckt vor dem Körper und tastete sich voran. Spinnweben verfingen
sich in ihren Haaren, sie stolperte mehrmals über Gartengeräte und hätte schwören
können, eine Maus fiepsen zu hören. Ein Schauer überlief ihren Rücken, doch der
Gedanke an die Mafia half ihr, sich zusammenzureißen. Eine Maus war besser als gefoltert
oder ermordet zu werden.
Endlich
hatte sie es geschafft. Sie war am anderen Ende des Raums angelangt, öffnete die
Tür und vor ihr lag die Treppe, die zum Haus hinaufführte. Ein fahler Lichtschein
durch eine kleine Luke am oberen Ende war genug, um ihr den Weg zu weisen. Sie zog
die Schuhe aus, um auf den Holzbohlen der Treppe keinen Krach zu machen, und schlich
nach oben zur Haustür. Ein Blick durch den Spion bestätigte ihre Befürchtungen:
Die Verbrecher waren wieder da. Sie saßen in ihrem Ford, als ob nichts geschehen
wäre.
Mit den
Schuhen weiterhin in der Hand stieg Amalie in den ersten Stock, wo sie einige Unterhosen,
zwei Blusen und ein Nachthemd in eine Reisetasche warf. Sie schnappte sich noch
schnell ihre Zahnbürste und einen Lippenstift, dann holte sie die Umschläge mit
dem Geld aus der Küchenschublade.
Sie zögerte.
Alles sprach für eine schnelle Flucht. Andererseits wähnten die Mafiosi sie in der
Stadt und hatten keine Ahnung, dass Amalie längst zu Hause war. Da ihr eine Verfolgungsjagd
auf leeren Magen nicht ideal erschien, setzte sie Wasser auf. So unauffällig wie
möglich kochte sie einen Tee und schmierte zwei Butterbrote. Langsam kaute sie ein
Stück Salami und dachte an Harald Moschik. In ihrem Bauch rumorte es, ein untrügliches
Zeichen dafür, dass ihre Emotionen verrückt spielten. Dieser Moschik hatte etwas
an sich gehabt, etwas Wildes, Ungehemmtes, das Amalies Blut in Wallung brachte.
Nein, das Nachthemd war es nicht gewesen. Aber ein Mann, der in so kurzer Zeit ein
so starkes Feuer in ihr entfachen konnte, musste etwas ganz Besonderes sein.
Sie sah
nach draußen. Die Mafiosi saßen unverändert in ihrem Auto.
Amalie wollte
zum Flughafen Klagenfurt. Von dort boten sich die meisten Fluchtgelegenheiten. Ob
sie Harald Moschik mitnehmen sollte? Sie nahm einen weiteren Schluck Tee und wägte
ab. Dafür sprach, dass sie in Harald einen Verbündeten hätte. Einen, der über die
Mafia Bescheid wusste und über den vertuschten Mord an Karl. Dagegen sprach, dass
sie nicht
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