Sauhaxn: Kriminalroman (German Edition)
Fensterbank und quetschte sich einen weiteren Zentimeter in
Richtung Freiheit.
»Mami, Mami,
sie hat sich bewegt!«
»Frau Bachmaier!
Ich komme jetzt rein!«
Die Schwester
öffnete die Klotür.
»Um Himmels
willen!« Sie stürzte sich auf Amalie und versuchte, sie am Fuß zu packen. In Panik
trat Amalie wild um sich, ruderte mit den Armen, bekam mit der rechten Hand einen
kleinen Vorsprung an der Mauer zu fassen und zog mit aller Kraft.
Ein Ruck
ging durch das alte Bauwerk, der Fensterrahmen gab nach und Amalie fiel kopfüber
durch das Glasdach und landete bäuchlings auf einem Topf mit Margeriten, den man
zur Dekoration neben die Eingangstür des Spitals gestellt hatte. Benommen blickte
Amalie auf die Scherben rings um sich herum.
»Frau Bachmaier,
sind Sie wahnsinnig?« Die fröhliche Schwester wirkte gar nicht mehr fröhlich, als
sie durch das gesplitterte Glasdach auf Amalie herunterschaute.
»Sicherheitsdienst!
Pfleger!«
»Mami, ich
glaube, der dicken Frau geht’s nicht so gut.«
Amalie stand
schwankend auf und hielt die linke Hand vor die Stirn. Ein Glassplitter hatte ihr
einen Kratzer auf der Stirn verursacht und Blut tropfte ihr in die Augen. Amalies
Knie wurden schwach und sie setzte sich wieder in den Blumentopf. Vielleicht war
ihr Fluchtversuch nicht die optimale Lösung gewesen. Vielleicht sollte sie zurück
ins Krankenhaus gehen und sich verarzten lassen. Ihr rechter Arm tat weh, ihr Knie
ebenfalls und der linke Fuß war bestimmt verstaucht. Gerade hatte sie beschlossen,
sich von den beiden stämmigen Pflegern, die auf sie zugestürmt kamen, festhalten
zu lassen, da schlug das Schicksal zu. So jedenfalls sah es Amalie. Dort hinten
stand blass, in einem Krankenhausnachthemd und mit dickem Kopfverband, Harald Moschik
am Zeitungsstand.
»Harald!«
Wie von der Tarantel gestochen sprang Amalie auf, griff sich die Reisetasche und
stürmte an den verdutzten Pflegern vorbei. Sie warf den Zeitungsständer um, packte
Moschik am Arm und zerrte ihn mit Bestimmtheit hinter sich her.
»Hilfe!«,
quiekte der Koch, als Amalie ihn mit sich riss, einem der beiden Pfleger einen linken
Haken verpasste und ins nächste wartende Taxi sprang.
»Flughafen.
Schnell. Und bevor Sie sich überlegen, mich denen da drinnen auszuliefern: Ich bin
im Besitz von 250.000 Euro und nicht geizig. Das könnte der schönste Tag Ihres Lebens
werden.«
*
Für Bernhard Moser war es der schlimmste
Tag seines Lebens. Elfriede und Hildegard waren verschwunden, seine Frau war eine
dumme Gans und die Polizei bestand aus einem Haufen blöder Trotteln. Zu allem Überfluss
war heute die beschissenste Arbeit dran, die ein Bauer tun musste. Im wörtlichen
Sinne. Bernhard Moser liebte seinen Beruf, nur auf eines hätte er gern verzichtet:
auf das Auspumpen der Jauchegrube. Aber einmal im Jahr, meist im April, musste es
gemacht werden, damit er die Gülle aufs Feld bringen konnte.
Das verschlechterte
seine Laune zusätzlich.
Als er seine
Frau um Hilfe gebeten hatte – er fand zumindest, dass ›Hilf mir gefälligst mit der
Jauchegrube und räum deinen Nagellack aus dem Kühlschrank‹ eine Bitte war –, hatte
sie ihm nur einen Vogel gezeigt und sich in aller Seelenruhe die Fußnägel lackiert.
Moser schimpfte
auf dem Weg zur Grube vor sich hin. »Zu schen, sich dreckig zu mochn. Zu fein, de
Schwein zu furtern. Wos hot se überhaupt an Bauern geheirot?« Bei dem Wort ›Schweine‹
fielen ihm Elfriede und Hildegard wieder ein und er spürte einen stechenden Schmerz
in der Brust. Warum nur hatten sie ihn verlassen?
Moser überprüfte
den Schlauch und die Pumpe. Er hasste diese Arbeit. Umso wütender war er auf Elena,
dass sie ihm nicht half.
»Wag es
ja nicht, mit deinen stinkenden Klamotten ins Haus zu kommen!«, hatte sie ihm noch
hinterhergeschrien. Moser stellte die Pumpe an und drehte sich zum Bauernhof um.
Er musste dieses Weib loswerden. Entweder durch Scheidung oder auf andere Weise.
Bei einer Scheidung würde sie wahrscheinlich auf der Hälfte des Hofes bestehen.
Vielleicht sogar auf der Hälfte der Schweine. Auf Elfriede oder Hildegard! Moser
griff sich wieder an die Brust. Die ganze Aufregung tat ihm nicht gut. Eine Scheidung
kam also nicht infrage. Grimmig kniff er die Lippen zusammen. Unfälle auf einem
Bauernhof kamen recht häufig vor.
Er stellte
die Pumpe ab und drehte sich zur Jauchegrube. Glasige Schweineaugen blickten ihn
an.
»Elfriede!«,
heulte Moser auf. Sein Lieblingsschwein würde er überall
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