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Saukalt

Saukalt

Titel: Saukalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Feifar
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ihrer Tochter den Umgang mit dem
Kerl, der anscheinend keiner geregelten Arbeit nachging und trotzdem immer Geld
hatte. Wie das eben mit Kindern oft der Fall ist, ließ sich die Irina den
Umgang mit Andrej nicht verbieten und traf sich heimlich weiter mit ihm. Die
Einzige, die das wusste, war Anna. Weil die musste ihrer großen Schwester zu
Hause immer wieder ein Alibi geben. Andrej führte Irina öfter in teure Lokale
zum Essen aus und machte ihr schöne Geschenke. Ein Verhalten, das nicht nur ihr
imponierte, sondern auch ihrer jüngeren Schwester. Irgendwann fragte Irina
ihren Freund, womit er eigentlich sein Geld verdiente, und er erzählte, dass er
Leuten dazu verhelfe, ein besseres Leben zu führen. Auf die Frage, was er damit
genau meinte, wollte er zuerst nicht antworten. Aber weil er die Träume der
Mädchen, in den Westen zu gehen kannte, erzählte er ihnen dann doch, dass er
Menschen, die in den Westen wollten, über die polnische Grenze schmuggelte.
Natürlich wurden die Schwestern sofort hellhörig und wollten wissen, ob er das
auch für sie tun konnte. Und siehe da, er konnte. Allerdings erhielten die
Mädchen die erste Lektion darüber, dass im Leben nichts umsonst war. Andrej
erklärte ihnen nämlich, dass das grundsätzlich kein Problem sei, wenn sie
genügend Geld hätten. Auf die Frage, wie viel Geld sie dafür brauchen würden,
nannte er die für die Mädchen unglaubliche Summe von umgerechnet 3.000 Schilling pro Person. Da brach
für die Schwestern eine Welt zusammen. Aber siehst du, der Andrej, ganz
hilfsbereiter Held, hatte selbstverständlich einen Vorschlag, wie die beiden
auch ohne Geld in den Westen kommen konnten. Er klärte sie darüber auf, dass
sie den Preis für ihre Reise in einem Land ihrer Wahl abarbeiten könnten.
Ratenzahlung quasi. Außerdem redete er ihnen ein, dass es überhaupt kein
Problem wäre, im Westen einen gut bezahlten Job zu finden. Und ob du es dir
vorstellen kannst oder nicht, die beiden naiven Mädchen haben ihm geglaubt und
ließen sich auf den Handel ein. Daraufhin stellte ihnen Andrej einen Freund
vor, der Russe war und Sergej hieße. Dieser Sergej war ein ziemlich
unsympathischer Typ, und die Mädels fürchteten sich sogar ein wenig vor ihm.
Trotzdem versprachen sie ihm, ihrer Mutter nichts zu erzählen und bei Nacht und
Nebel von daheim wegzulaufen. Was soll ich dazu sagen? Der Traum von einem
Leben im Wohlstand war stärker als die Vernunft. Ein paar Tage später machten
sie es dann tatsächlich. Sie packten heimlich das Notwendigste in eine Tasche
und liefen weg. Ohne sich von ihrer Mutter zu verabschieden, ohne Reue und
voller Zuversicht. Zusammen mit Andrej und diesem Sergej fuhren sie dann die
ganze Nacht und den halben nächsten Tag quer durch Polen. Bis zu einem
Bauernhaus, das nahe bei einem Wald stand. Anna und Irina hatten nicht die
leiseste Ahnung, wo sie waren. Andrej antwortete auf ihre Fragen immer nur,
dass es für sie besser war, wenn sie das nicht so genau wussten. Im Haus wurden
die beiden Mädchen von einer Frau empfangen, die gar nicht so freundlich war
wie der Andrej und sie in ein Zimmer steckte, in dem schon vier andere Mädchen
saßen. Alle ziemlich hübsch und keines älter als maximal 20 oder 22 Jahre. Alle
wirkten sie relativ fröhlich, und in ihren Gesprächen ging es nur darum, dass
sie in den Westen unterwegs waren, um dort ein neues und besseres Leben
anzufangen. Wie sich herausstellte kamen die Mädchen aus allen Teilen des
Landes. Draußen vor dem Haus hörten sie Andrejs Stimme. Offenbar stritt er sich
wegen irgendetwas mit der unfreundlichen Frau. Worum es genau ging konnten die
Mädchen aber nicht verstehen. Also ging Anna ans Fenster und sah hinaus. Sie
sah gerade noch, wie die Frau dem Andrej ein Bündel Geldscheine in die Hand
drückte und dann ins Haus zurückging. Andrej stieg zu Sergej ins Auto, und die
beiden fuhren weg. Das verwirrte die Mädchen, weil ausgemacht gewesen war, dass
er sie begleiten würde. Irina meinte, dass die beiden sicher nur in den
nächsten Ort gefahren waren, um dort Lebensmittel zu kaufen, und bald wieder da
sein würden. Aber das stimmte nicht. Weder den Sergej noch den Andrej sahen sie
jemals wieder. Und der Ton wurde auch rauer. Die Frau ließ sie nur aus dem
Zimmer, wenn sie zur Toilette mussten. Für sechs Personen war der Raum außerdem
viel zu klein, und es gab nur ein Doppelbett. So kam es, dass die Mädchen
abwechselnd auf dem Fußboden schlafen mussten. Keine von ihnen

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