Saukalt
wenn sich die Kids in diesem Alter nach der Schule in
irgendeinem Lokal treffen und dort sogar Alkohol konsumieren. Aber damals, im
Jahr 1971, war das noch nicht so normal. Ich meine, nicht dass du jetzt
glaubst, die Kinder waren damals viel braver oder so. Das ganz bestimmt nicht.
Aber mit dem Wirtshausgehen war das so eine Sache. Das durften die Jugendlichen
normalerweise nur zu bestimmten Anlässen. Wie zum Beispiel beim
Striezelspielen. Ja, da haben die Kinder mit ihren Eltern mitgehen und
zuschauen dürfen. Alkohol haben sie natürlich keinen bekommen. Zumindest nicht
offiziell. Weil natürlich fanden sie auch damals schon Mittel und Wege, zu ein
paar heimlichen Schlucken Bier zu kommen. Schließlich wollten sie ja wissen,
wie das Getränk schmeckte, von dem sich der Papa etliche Gläser hinter die
Binde goss. Lange blieben die Kinder aber meistens nicht da, weil es ihnen
irgendwann fad wurde, den Erwachsenen bei ihren Aktivitäten zuzuschauen. Ist
doch ganz klar. Jemandem stundenlang beim Biertrinken und Kartenspielen
zuschauen ist für so ein Kind echt öd. Der Volksmund sagt, dass nichts
langweiliger ist, als jemanden zuschauen, der einem anderen beim Fischen
zuschaut. Und genau so kamen die Kids sich vor. Der Wenger war der erste der
Wirte, der das verstand. Und noch etwas hatte er gleich verstanden. Nämlich,
dass die ganz Jungen seine Kundschaft von morgen waren. Weil als Wirt in einem
Dorf in der tiefsten Provinz musst du natürlich schon darauf schauen, dass dir
die Gäste nicht ausgehen. Daher überlegte sich der Mann genau, wie er die
lieben Kleinen dazu bringen konnte, länger im Wirtshaus zu bleiben und ihren
Vätern und Müttern Geld für irgendwelche Getränke aus der Tasche zu leiern. Und
siehst du, da ist er eines Tages in der Zeitung über einen Bericht gestolpert,
in dem es um Flipperautomaten ging. Eine Apparatur, die ihm für die Kinder aber
auch für die Erwachsenen geeignet schien. Also kaufte der Wenger kurzer Hand zwei
von den Dingern. Nicht ganz neu zwar, weil die viel zu teuer waren und der
Wenger gar nicht ausrechnen konnte, wie viel Bier er hätte verkaufen müssen, um
nur einen neuen Flipper bezahlen zu können, aber funktionstüchtig. Und was
glaubst du, was das für eine Sensation im Ort war. Da kamen am Anfang allerhand
Leute, die sich diese Automaten nur anschauen wollten. Aber weil man damals
noch Anstand hatte, traute sich keiner nur zu schauen und dabei nichts zu
konsumieren. Die Kinder waren von den Maschinen vollauf begeistert, weil an
denen so viele Lämpchen leuchteten und sie einen echten Höllenlärm machten. Die
lange Geschichte kurz erzählt ist, dass der Plan vom Wenger voll aufging. Mit
dem Aufstellen der beiden Automaten kamen nach und nach immer mehr Kids, nur um
zu spielen oder den Älteren beim Spielen zuzusehen. Von daher steigerte sich
sein Umsatz deutlich. Überhaupt im Winter. Weil im Winter waren die Kinder in
Tratschen und in den Nachbarorten gegenüber den Stadtkindern wirklich ein
bisschen im Nachteil. Im Gegensatz zum Sommer, wo sie allerhand machen konnten,
wie zum Beispiel Fußball spielen, Radfahren, Schwimmen, Kirschen stehlen oder
ähnliches, hatten sie im Winter gar nichts mehr. Noch nicht einmal einen
Eislaufplatz. Und seien wir einmal ehrlich, wie viele Schneeballschlachten kann
so ein Halbwüchsiger schlagen, bevor ihm das auf den Geist geht?
Von
daher waren die Kids halt im Winter besonders dankbar für die Existenz der
Automaten. Allerdings hatte das auch seine Schattenseiten. Weil nach und nach
haben die Jungen angefangen alkoholische Getränke zu bestellen. Natürlich sind
immer die Ältesten gegangen, um beim Wenger Alkohol zu besorgen. Aber der war
ja auch nicht komplett blöd. Und obwohl er wusste, dass auch die Kleineren
mittranken, war es ihm ziemlich egal. Schließlich war Geld für ihn Geld. Völlig
wurscht, wer es bei ihm ausgab. Das sah er nicht so eng, der Wenger. Zu seiner
Verteidigung muss man aber sagen, dass Begriffe wie Komasaufen im Zusammenhang
mit Jugendlichen damals noch nicht verwendet wurden. Das heißt aber nicht, dass
die Jugend nicht auch ab und zu ganz schön gesoffen hat. Im Gegenteil. Ich
selber kann mich noch ganz genau erinnern, was der Schuldirektor uns sagte, als
wir in der Abschlussklasse waren. Er erklärte uns nämlich, dass zehn Prozent
von uns das achtzehnte Lebensjahr ohnehin nicht erreichen würden, weil wegen
der Sauferei so viele Verkehrsunfälle passierten. Ja, das hat uns der Herr
Direktor gesagt.
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