Saupech (German Edition)
darauf, dass sie mit ihm einen Spaziergang machte.
Während sie mit dem Hund durch den Wald trabte, meldete sich in ihren Gedanken etwas knapp unter der Bewusstseinsoberfläche, das sie schon einmal als wichtig eingestuft, aber wieder vergessen hatte. Was war das nur gewesen? Wie konnte sie so vergesslich werden? Alzi ließ grüßen! Verdammter Mist!
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Als Dorli beim Frühstück saß, beschloss sie, dem Karl im Pecherhof nochmals einen Besuch abzustatten. Sollte der Serienmörder wirklich ein Schweinebauer sein, dann bezog der höchstwahrscheinlich Saupech. Denn das brauchte man zum Ablösen der Borsten.
Außerdem war ihr eingefallen, was sich gestern so erfolgreich ihrem Bewusstsein entzogen hatte. Leo Bergler hatte etwas von einem verlassenen Friedhof gesagt. Es gab einen. Den alten jüdischen Friedhof in Reinhof. Seit Jahren wurde darüber geredet, dass man den doch mal renovieren müsste. Geschehen war nichts. Vielleicht sollte sie sich dort umsehen. Es erschien ihr allerdings nicht sehr wahrscheinlich. Denn gerade in einem aufgelassenen Friedhof würden frische Grabspuren noch viel eher auffallen als irgendwo sonst.
Eine Stunde später hielt Dorli eine Liste in Händen. Darauf standen etliche Namen, die sie nie und nimmer mit der Schweinezucht in Verbindung gebracht hätte. Entweder, weil die Bauern die Sauen nur nebenbei hatten und hauptsächlich Kühe hielten und Milch produzierten. Oder solche Leute wie der Meixner, der einen Reiterhof betrieb. Und kein Schwein von seinen Sauen wusste. Wenn er überhaupt welche hatte. Sie würde sich auch noch den Tierarzt vorknöpfen, der die Fleischbeschau bei den Schlachtungen in den umliegenden Orten vornahm.
Der Toni ein Mörder? Schwer vorstellbar. Aber auch nicht unwahrscheinlicher als alle anderen, die auf der Liste standen. Er mit seinem tollen Reiterhof, finanziell höchst erfolgreich, was man so hörte, und ein angesehenes Gemeindemitglied. Immerhin war er Ende vierzig, bis dato unverheiratet, und er hatte eine sehr dominante Mutter gehabt, freundlich ausgedrückt.
Dorli beschloss, dem Reiterhof einen weiteren Besuch abzustatten. Wenn der Bursche Schweine hielt, musste man die doch irgendwo finden. Und vielleicht wusste ja auch Susi Pechhacker etwas, das ihr weiterhelfen konnte. Der Tierarzt konnte bis morgen warten. Und nachher könnte sie dann gleich beim alten jüdischen Friedhof vorbeifahren. Ging in einem Aufwasch.
Dorli nahm die Kawa. Damit konnte man sich viel anonymer dem Ziel der Begierde nähern. Wer wusste schon, was unter einer Biker-Kombi und dem Helm steckte. Das Wetter war zwar ein wenig durchwachsen. Der Himmel grau in grau, ein fieser kalter Wind wehte. Aber es sah nicht nach Regen aus, zumindest im Moment. Und wenn es doch zu pieseln begann? Na wenn schon! Sie war nicht aus Zucker.
Bevor sie zum Meixner fuhr, legte sie einen kurzen Halt beim Gemeindeamt ein und hängte einen Zettel an die Tür: »Heute wegen Todesfall geschlossen«. Ob sie hier saß und die leeren Räume anstarrte oder gleich zusperrte, war auch egal.
Der Reiterhof machte einen verwaisten Eindruck. Da trug vermutlich das Wetter einen Gutteil Schuld daran. Denn es hatte angefangen zu regnen. Und wer wollte schon reiten, wenn der Himmel seine Schleusen öffnete?
Dorli stellte ihre Kawasaki vor dem kleinen Laden ab. Sie würde ganz unverfänglich mit Susi plaudern.
Doch daraus wurde nichts, denn Susi war gar nicht da. Der Laden war zu, nur ein kleines Schild hing hinter dem Glaseinsatz der Eingangstür: »Geschlossen«. Kein Hinweis, bis wann zu war oder wann wieder geöffnet wurde. Auch gab es keinerlei Angaben zu regelmäßigen Öffnungszeiten.
Ich könnt mich in den Hintern beißen! Warum hab ich Susi nicht gefragt, wann offen ist? Dorli war mehr als unzufrieden mit sich selbst. Wenn sie schon nicht mit Susi sprechen konnte, würde sie sich wenigstens ein bisschen auf dem Hof umsehen. Kurz überlegte sie, sich zu Fuß auf den Weg zu machen. Doch dann erschien es ihr günstiger, mit dem Bike langsam durch das weitläufige Anwesen zu fahren. Erstens würde sie sonst den halben Tag durch den Matsch latschen, zweitens könnte sie leichter abhauen, sollte sie entdeckt werden.
Dorli fuhr niedertourig zwischen den Pferdekoppeln und Stallungen hindurch. Durch den Regen und das Rauschen des Windes in den Bäumen war ihr Motorrad wahrscheinlich kaum zu hören. Sie begegnete keiner Menschenseele. Hinter dem Wohnhaus, an das Dorli lieber nicht zu nahe heranfuhr, war noch ein
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