Saupech (German Edition)
an den Kerzen. Alles sah ganz normal aus. Aber das Mistding sprang einfach nicht an. Sie musste innerhalb der nächsten Sekunden eine Entscheidung treffen. Flüchten, irgendwie, zur Not zu Fuß? Da würde sie nicht weit kommen. Denn Toni konnte ja sein Tor jederzeit öffnen und ihr mit dem Wagen nachbrausen. Oder mit dem Toni einen heben gehen? Plötzlich erwachte der Motor ihrer Maschine röchelnd zum Leben. Nach einer Reihe von Fehlzündungen klang er wieder wie immer. Die große Einfahrt des Reiterhofes war mittlerweile geschlossen. So eine verdammte Scheiße!
Langsam drehte Dorli eine Schleife und sah sich dabei nach einer Fluchtmöglichkeit um. Es gab keine. Zumindest keine, die ihr auf Anhieb auffiel. Denn die Zufahrt war auf beiden Seiten von Pferdekoppeln begrenzt, die einen massiven Holzzaun aufwiesen. Vermutlich vom gewissenhaften Hias für die Ewigkeit gebaut.
Sei nicht so hysterisch!, ermahnte sie sich selbst. Was ist denn schon dabei, wenn du mit dem Toni einen heißen Tee kippst? Er wird dich ja nicht gleich umbringen! Doch in Dorlis Magen bildete sich ein harter Knoten. Und wenn doch? Keiner wusste, wo sie war. Als sie ausrollte und die Kawa abstellte, versuchte sie mit ihrem Handy Lupo zu erreichen. Aber auch die Idee zerstob in nichts, es gab hier keinen Empfang. Nicht einmal ein Stricherl am Display! Da sie ohnehin keine Wahl hatte, beschloss Dorli, sich einfach freundlich und unverfänglich mit dem Meixner zu unterhalten. Und irgendwann würde er sie hoffentlich gehen lassen.
Und wenn nicht? Dorli verdrängte diesen Gedanken energisch, nahm den Helm ab, schüttelte ihr Haar aus und strich es mit beiden Händen aus dem Gesicht. Dann folgte sie Toni ins Haus.
46
Lupo war am Morgen mit Dorli verabredet. Sie wollten heute weitere Bauernhöfe der Umgebung abklappern und herausfinden, wer noch Schweine hielt.
Doch als Lupo aus seinem klapprigen Gefährt kletterte, führte Idefix hinter dem Zaun Freudentänze auf.
»Na, was ist denn mit dir los?«
Lupo wollte die Gartentür öffnen, doch sie war abgeschlossen. Er klingelte. Niemand öffnete. Idefix bellte. War doch komisch, dass Dorli schon am frühen Morgen nicht zu Hause war. Der Hund aber schon. Kurz entschlossen kletterte Lupo über den Zaun. Als er Idefix’ Wassernapf sah, war ihm klar, dass etwas nicht stimmte. Die Schüssel war knochentrocken. Lupo füllte sie mit frischem Wasser aus der Leitung an der Hauswand. Idefix schlabberte gierig.
»Wenn du kein Wasser hast, ist Dorli schon länger verschwunden. Dann hast du wahrscheinlich auch kein Futter bekommen?«
Idefix hatte fast die ganze Schüssel leer getrunken. Lupo füllte sie erneut. Dann schwang er sich über den Zaun nach draußen. Er brauchte Hundefutter. Und zur Sicherheit würde er auch noch beim Gemeindeamt vorbeifahren, bevor er die Polizei alarmierte. Vielleicht hatte Dorli aus irgendeinem Grund dortbleiben müssen.
Am Amtshaus sah er den Zettel »Wegen Todesfall geschlossen«. Gemeinsam mit ihm war eine junge Frau an die Tür gekommen.
»Das ist jetzt aber net wahr! Der blöde Zettel hängt schon seit gestern früh da. Was denken sich die Sesselfurzer eigentlich?«
Empört trat sie gegen die Eingangstür und zog schimpfend ab.
Dorli war gestern nicht im Büro gewesen? Sie hatte die Nacht nicht zu Hause verbracht und niemanden damit beauftragt, nach ihrem Hund zu sehen? Dann musste etwas Furchtbares passiert sein. Kurz überlegte er, die Polizei zu informieren. Doch was sollte er den Beamten sagen? Dass Dorli nicht zu Hause war, obwohl sie verabredet waren? Die würden gar nichts tun, als ihn auszulachen. Er wusste aus Erfahrung: Wenn Erwachsene verschwanden, ging die Polizei prinzipiell davon aus, dass dies ihr gutes Recht sei und sie bald wieder auftauchen würden.
Lupo fuhr, so schnell sein altes Schnauferl das schaffte, zum Supermarkt in Langebichl. Warf mehrere Hundedosen und einen Sack Trockenfutter in eine Tragetasche aus Plastik. Er fluchte, weil an der Kasse vor ihm noch mindestens fünf Frauen standen, von denen eine die Kassierin in langwierige Verhandlungen über ein Sonderangebot verwickelte, das angeblich noch bestehen sollte, laut der Bediensteten des Supermarktes aber schon abgelaufen war.
»Schaun S’, Frau Lenhard, i kann Ihnen den reduzierten Preis net verrechnen, weil das zieht das Lesegerät bei der Kassa automatisch ab. Und wenn die Aktion aus ist, dann nimmt’s wieder den normalen Preis.«
Worauf die Kundin ihren Einkauf am Förderband stehen
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