Saving Phoenix Die Macht der Seelen 2: Roman (German Edition)
Schranktür knallte.
»Kein Problem, macht mir nichts aus. Sie ... ist nicht gerade das, was ich erwartet habe. Sie sieht ein bisschen seltsam aus – diese ulkige Brille und die Oma-Klamotten ... Ich hab immer gedacht, zwischen Seelenspiegeln gäbe es eine gewisse Chemie.«
»Ja, vielleicht.« Ein Stuhl scharrte über den Boden. »Gestern hat sie ganz anders ausgesehen. Ich bin mir nicht sicher, was ihr wahres Ich ist. Ich stecke da jetzt jedenfalls bis über beide Ohren drin. Sie hat einen ganzen Sack voller Probleme. Aber sie erzählt mir nichts von sich: Alles, was ich bisher erfahren habe, ist ihr Name und dass sie nie zur Schule gegangen ist.«
»Und dass sie eine Profi-Diebin ist – diesen kleinen Informationsschnipsel wollen wir mal nicht vergessen. Und wenn man bedenkt, aus welchem anderen Grund wir noch hier sind, findest du es da nicht ein bisschenseltsam, dass sie ausgerechnet dich als Opfer rausgepickt hat?«
Welcher andere Grund? Ich wich an die Wand zurück.
»Ja, ich weiß. Wir müssen sie dazu befragen. Das mache ich auch, aber zurzeit ist alles so furchtbar kompliziert. Sie vertraut mir nicht. Wann kommt Vic von seinem Treffen mit dem Scotland Yard zurück?«
»Gegen sechs. Du hast fünf Stunden Zeit, um rauszukriegen, ob sie ein Sicherheitsproblem darstellt oder nicht. Ansonsten müssen wir sie von Vic überprüfen lassen.«
»Das wird ihr aber nicht gefallen.«
Verdammt richtig. Ihr gefiel ganz und gar nicht, wie sich das anhörte. Ihr war klar, dass sie mit der Erwähnung der Polizei so schnell wie möglich hier rausmusste. Ich schlich leise rückwärts und hoffte, dass die Geräusche meiner Schritte vom Teppichboden verschluckt würden. Die Wohnungstür war verschlossen und verriegelt. Ich würde es schaffen, alle Schlösser zu öffnen bis auf das oberste, das für mich außer Reichweite war. Ich schaute mich nach etwas zum Draufstellen um, aber in dieser Schickimickiwohnung gab es keine normalen Gebrauchsmöbelstücke, bloß an der Wand befestigte Glasborde.
»Wo geht’s denn hin?« Yves erschien in der Küchentür und beobachtete meine immer verzweifelter werdenden Versuche, an das oberste Schloss ranzureichen.
Er hatte kein Recht dazu, mich hier gefangen zu halten. »Nach Hause.« Ich sprang hoch und meine Finger berührten den Riegel, ohne ihn bewegen zu können.
Yves kam seelenruhig näher. »Und wo ist dein Zuhause? Das hast du mir noch gar nicht erzählt.«
»Richtig – ich hab’s nicht erzählt.« Ich trat gegen die Tür und hinterließ eine schwarze Abriebspur auf der makellosen Lackierung.
»Du hast ja noch gar nichts gegessen.« Yves langte über meinen Kopf hinweg und zog den Riegel zur Seite.
»Keinen Hunger.« Unglaublich – er ließ mich gehen!
Das ist eine Lüge.
Wie? Bist du jetzt auch noch Gedankenleser?
Nein, aber ich kann die Energie eines Menschen spüren und deine ist auf einem bedenklich niedrigen Level. Jeder hat eine einzigartige Energiesignatur und anhand deiner sehe ich, dass du keine Reserve mehr hast. Wann hast du zum letzten Mal was gegessen?
Ich zuckte mit den Schultern. Vor einer Ewigkeit. »Ich hole mir etwas auf dem Nachhauseweg.«
Er drehte sich um, ging wieder Richtung Küche und sagte dabei über seine Schulter hinweg: »Du brauchst den Schlüssel für den Aufzug.«
»Dann nehme ich eben die Treppe.« Zwanzig Stockwerke – vielen Dank auch, Kumpel.
»Fürs Treppenhaus brauchst du auch einen Schlüssel, es sei denn, du willst Feueralarm auslösen«, rief mir seine körperlose Stimme zu.
Ich marschierte in die Küche und streckte den beiden am Küchentresen sitzenden Jungs meine Hand entgegen. »Kann ich bitte den Schlüssel haben?«
Yves klatschte mir ein Sandwich auf die Handfläche. »Iss!«
Mein Magen krampfte sich beim Anblick des rosa Schinkenrandes zusammen. »Ich bin Vegetarierin.«
Xav nahm das Sandwich schnell wieder weg und Yves ersetzte es durch eine Vollkornscheibe mit Käse und Tomate. »Bitte, iss!«
Mir ging die Masche, die sie hier abzogen, gewaltig gegen den Strich. Ich stiefelte zum Fenster, hockte mich dort auf den Heizkörper und aß kleine Bissen von dem Sandwich. Zum Glück ließen sie mich in Ruhe, während ich es wegputzte. Sie benahmen sich wie Zoowärter eines gefährlichen Tieres, das sie nicht weiter provozieren wollten. Wütend kehrte ich ihnen den Rücken zu. Gut, dass ich keine Höhenangst hatte, denn die Aussicht von hier oben war atemberaubend: Ich konnte bis zum Olympiastadion und dem
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