Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)
zünden.«
»Klingt ziemlich dramatisch.«
»Wir stehen an einem Abgrund, Mr. Stratton. Sie haben die Veränderungen miterlebt. Die jungen Leute kennen nur den Zerfall und die Rettungsversuche und schauen zu, wie sich die Energiepreisspirale hochschraubt. Sie geben sich damit zufrieden, im Müll zu kramen, den ihre Eltern und Großeltern ihnen hinterlassen haben, und nehmen sich das, was noch brauchbar ist. Aber Sie wissen es besser. Sie können spüren, dass wir den Höhepunkt überschritten haben und es jetzt bergab geht. Erinnern Sie sich an die Zeit, als wir noch Dinge gemacht haben.«
Ich erinnerte mich an die weiten Industriegebiete, die rauchenden Schornsteine. Die breite Auswahl an glänzenden Waren, die hinter verlockenden Preisschildern lagen, alle in sexy schimmernde Plastikfolie verpackt. Man machte so viel, dass man es einfach wegwarf, wenn man damit fertig war, weil es immer genug Nachschub gab.
Wir fuhren so etwas wie eine Rampe hinunter, und die Welt außerhalb meiner Kapuze wurde dunkel. Der Anwalt kam allmählich zum Stehen und zog mir dann die Kapuze vom Kopf.
»Fragen Sie nicht, wo Sie sind«, sagte er. »Ich bin nur eine Art Lieferant. Nachdem ich jetzt hier bin, kann ich nicht mehr gehen, aber Sie werden vielleicht gehen müssen, und Sie dürfen nicht wissen, wo sich dieser Ort befindet. Auch die meisten der Leute hier wissen es nicht. So ist es sicherer.«
Ich stieg aus und trat auf den Boden eines industriellen Lagerhauses, in dem es recht dunkel war. Alle Fenster waren geschwärzt. Als sich meine Augen daran gewöhnt hatten, sah ich, dass die Halle völlig leer war.
Bis die Türen aufschwangen. Menschen mit großen Datenbrillen kamen herein. Ich erkannte, dass keiner von ihnen sehen konnte, wo sie waren oder was sich vor ihnen befand. Aber sie marschierten wie Roboter herein, indem sie unsichtbaren Informationslinien folgten.
Immer mehr kamen, manche brachten Stühle, andere Schreibtische, die sie an vorherbestimmten Punkten abstellten. Sie wimmelten wie Ameisen umeinander herum, von einem größeren Befehlsmuster dirigiert.
Insgesamt waren es vielleicht ein paar Hundert, die hereinkamen, aber die meisten waren schon kurz darauf wieder verschwunden.
Industriescheinwerfer erhellten nun das Innere des Lagerhauses, und Monitore im Umfang eines kompletten Kommandozentrums waren rund um eine Metalltruhe in der Mitte angebracht worden, die man schnell mit Bolzen im Betonboden verankert hatte.
Dicke Glasfaserkabel verliefen kreuz und quer durch das Lagerhaus und endeten als Bündel in einem großen Kasten, der mit einer Schüssel verbunden war, die auf ein inzwischen geöffnetes Fenster ausgerichtet war.
Der gesamte Vorgang hatte fünf sehr surreale Minuten beansprucht.
Nachdem sich die Menge verflüchtigt hatte, blieben zehn Personen zurück. Ein Mann saß in einem komplizierten Rollstuhl, der sich um ihn zusammengefaltet und ihn auf Augenhöhe hochgehoben hatte. Die Maschine balancierte sich surrend aus und zog mehrere Kabel hinter sich her.
Der grauhäutige Mann im Rollstuhl kam näher an mich heran. Eingefallene Augenhöhlen, zugenähte Lider und Wangenknochen, die nach Plastik aussahen. Ein fehlender Arm und das, was davon noch übrig war, mit dem Stuhl verkabelt. Keine Beine. Sie waren im unteren Teil des Rollstuhls verborgen.
Auch ein Ohr fehlte und war durch ein ovoides Metallstück ersetzt worden, an dem ständig drei blaue Lämpchen glühten.
»Mr. Stratton, ich befürchte, wir haben Sie bereits rekrutiert«, sagte der Mann. Der Rollstuhl hob sich ein kleines Stück, so dass unsere Gesichter auf gleicher Höhe waren. Zwei kleine Kameras auf seinen Schultern justierten mit leisem Surren die Brennweite.
»Jemand hat den Eddies verraten, dass ich sie beschattet habe. Und jemand hat mir die zweite Hälfte einer vereinbarten Summe nicht gezahlt.« Aus irgendeinem Grund hatte man mir erlaubt, den Baseballschläger zu behalten. Aber einen Mann ohne Beine, mit nur einem Arm und ohne Augen zusammenzuschlagen war meine Sache nicht.
»Schuldig im Sinne der Anklage. Mr. Stratton, wir suchen nach einem Führer, jemandem, der sich in dieser Gegend und mit den Edgewater-Leuten hier auskennt. Es gibt mehrere Kandidaten, aber Sie waren ein guter Soldat, und Sie haben eine gute Vorstellung davon, womit wir es hier zu tun haben.«
»Hören Sie …« Ich war mir nicht sicher, wie ich ihn nach seinem Namen fragen sollte, also zögerte ich für einen Moment.
»Mein Pseudonym ist Mock Turtle,
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