Schädelrose
jedenfalls.« Sie lachte plötzlich.
»Was immer das heißen mag.«
»Sie haben Schlimmes durchgemacht«, sagte Joe
leise. Er wußte nicht genau, was ihn dazu veranlaßt
hatte, aber in dem Moment, als die Worte draußen waren,
wußte er, daß es ein Fehler gewesen war. Caroline
schlenderte weiter neben ihm her, aber er merkte, wie sie
verschwand, wie sie sich in eine höfliche, beherrschte
Haltung zurückzog wie in eine Festung.
»Nein, da irren Sie sich. Sehr viele Menschen haben viel
Schlimmeres durchgemacht als ich.«
Joe konnte sich nicht bremsen. Er wollte mehr über sie
erfahren. »Sie waren zweimal verheiratet?«
»Ja«, sagte sie ohne Wärme. »Einmal mit
achtzehn, mit einem Schauspieler und
Möchtegern-Stückeschreiber namens Jeremy Kline. Leider
ein sehr schlechter Schauspieler. Wir haben uns zwei Jahre
später scheiden lassen. Drei Jahre danach habe ich Charles
Long geheiratet und Catherine bekommen. Wir sind ebenfalls
geschieden. Der Selbstmordversuch, nach dem Sie fragen wollen,
wie ich weiß, weil Sie auf meine Narben gestarrt haben
– das war, als ich Catherine mit der Seuche in
stationäre Pflege geben mußte.«
»Ich wollte nicht neugierig sein«, sagte Joe
unbeholfen.
»Nein, natürlich nicht.«
»Weiß Ihr Ex-Mann – Catherines Vater
–, daß Sie sich der OEFL-Operation unterzogen
haben?«
Sie warf ihm einen Blick zu. »Was für eine komische
Frage. Ja, ich hab’s ihm erzählt. Ich hab ihn
angerufen und gesagt, ich würde mich operieren lassen, und
er hat gefragt: >Bist du krank?<, so wie er’s immer
tut. Ich hab verneint, und er hat nichts gesagt, so wie
er’s immer tut. Ist schon seltsam. Er erkundigt sich immer
nach den körperlichen Dingen, und wenn da alles in Ordnung
ist, dann fragt er nicht weiter. Es ist, als ob er immer noch
eine gefühlsmäßige Verbindung zu meinem
Körper hätte, als ob er mit dem verheiratet
gewesen wäre, aber nicht mit dem Rest von mir –
geistig, seelisch, emotional, was auch immer. Komische Art von
Scheidung.«
Joe wußte nicht, was er sagen sollte. Es verunsicherte
ihn, wie frei und ungeniert sie sprach. Schließlich
wiederholte er: »Ich glaube trotzdem, daß Sie
Schlimmes durchgemacht haben.«
»Und ich sage trotzdem, nicht so Schlimmes wie viele
andere Leute. Ich habe genug Geld, um für meine Tochter zu
sorgen, und genug juristischen Beistand, um heiraten zu
können, wen ich will. Ich hatte in der Tat sehr viel
Glück.«
»Ich wollte nur…«
»Ja, aber Sie haben sich geirrt. Obwohl ich Ihr
Interesse zu schätzen weiß.« Sie drehte den Kopf
und schenkte ihm ein kühles Lächeln, wohlerwogen wie
eine Ohrfeige. »Oh, schauen Sie – da kommt
Robbie.«
Joe fluchte innerlich. Brekke kam aus einer Gruppe von
Ahornbäumen heraus auf sie zu. Als er unter den Bäumen
hervortrat, ließ ein verborgener Scheinwerfer seine blonden
Haare einen Moment lang golden aufschimmern. Er trug einen
hellgrünen Overall und ein hellgrünes Stirnband und
hatte einen Drink mit vielen Sommerfrüchten in der Hand.
»Da sind Sie«, sagte er zu Caroline. »Lady
Alison hat mir von Ihrem Abenteuer erzählt. Das Massaker
geht über alle Bildschirme. Sind Sie unverletzt
geblieben?«
»Abenteuer.« Der Strohkopf war der Meinung, ein
Massaker wäre ein Abenteuer. Um Brekke nicht ansehen zu
müssen, konzentrierte sich Joe auf den Drink in seiner Hand.
Etwas Blaßgoldenes, und am Boden Limonen- und
Orangenscheiben, die auf ein gelbes Rührhölzchen
gespießt waren… Das Hotelzimmer tauchte direkt
hinter seinen Augenlidern auf, ein Messingbett und glatte
weiße Vorhänge, die in der Brise vom Platz her wehten.
Julia hob einen Old Fashioned an die Lippen, trank und kam auf
ihn zu, wobei sie mit der anderen Hand ihre Bluse
aufknöpfte. Sie sang die Melodie im Radio mit, einen
amerikanischen Song, den sie bei ihrer letzten Überfahrt
mitgebracht hatte: »When deep purple falls / Over sleepy
garden walls…« Ihre Brüste waren groß und
weiß. Sie preßte sich an ihn, das kalte Glas zwischen
ihrer bloßen Brust und seinem Hemd, und er…
»Lassen Sie ihn in Ruhe!« sagte Caroline scharf.
Joe lag auf dem Rücken im Gras, die Hose erst halb
geöffnet, mit einem nassen Fleck im Schritt. Der dicke
weiße Samen bedeckte seine Hand. Caroline schaute aufs
Wasser hinaus. Brekke richtete sich lässig auf. Er
lächelte.
»Ich wollte bloß helfen. Das muß ja eine
tolle Erinnerung gewesen sein,
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