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Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Irgendwo hinter der Linie der Neger ertönte lautes
Geschrei.
    »Ich hab dich überhaupt nicht gesehen!« sagte
der Engländer. Ärger begann in seinem Ton anzuklingen.
»Wo, zum Teufel, bist du hergekommen?«
    »Von meinem Vater«, sagte Mallie demütig.
»Prediger Dodson, Sir. Er hat mir gerade meine neue Jacke
für die Sonntagsmesse gekauft.« Er rieb erneut an der
schlammigen Schulter des Sakkos und bemühte sich, so
auszusehen, als ob er mit den Tränen kämpfte.
    Der Engländer runzelte die Stirn. Mallie sah den Zweifel
an den Rändern des Stirnrunzelns und drängte den Mann
nicht. Er stand mit gesenktem Kopf da, ließ die dreckigen
Schultern hängen und die Hände lose an den Seiten
baumeln. Schließlich sagte der Engländer
gepreßt: »Dann laß mich die Kosten für
deine neue Jacke ersetzen, Junge. Wieviel?«
    »Oh, das kann ich nicht annehmen«, sagte Mallie
und hob den Kopf.
    »Ich bestehe darauf. Hier.« Er streckte Mallie
einen Geldschein hin. Der ließ ihn am Ende des
ausgestreckten Arms des Engländers hängen.
    »Ich kann kein Geld für ein Mißgeschick von
Ihnen nehmen, für das Sie nichts können, Sir. Das
wäre nicht richtig. Aber wenn Sie… wenn Sie wohl eine
Möglichkeit sähen, mich dorthin zu fahren, wo ich mit
meinem Vater verabredet bin… Es wäre mir wirklich
unangenehm, in Hemdsärmeln durch die Stadt zu laufen, und
meine Jacke ist so schmutzig…«
    »Steig ein!« fauchte der Engländer. Mallie
ging zur anderen Seite der Kutsche herum und stieg ein. Ein
Haufen schreiender Männer kam hinter einem Stapel
Baumwollballen hervor. Mallie zog die schmutzige Jacke aus,
steckte sie unter den Sitz und lehnte sich weit in die
halbgeschlossene Kutsche zurück. Der Engländer schlug
mit den Zügeln, und die Kutsche rollte an.
    Mallies Magen gab ein weiteres mächtiges Knurren von
sich. Der Mund des Engländers zuckte, aber er sagte nur:
»Und wo bist du mit deinem Vater verabredet?«
    »Am Bahnhof, Sir.« Die Kutsche fuhr an den
Männern aus der Straßenbahn vorbei.
    Der Engländer schwieg, bis sie am Bahnhof ankamen. Als
Mallie ausstieg, hörte er die Belustigung in der Stimme des
Mannes. »Wenn du nie in eine schlimmere Situation kommst,
als in Hemdsärmeln auf der Straße herumzulaufen,
junger Mann, wirst du ein sehr angenehmes Leben haben.«
    »Ja, Sir. Danke, Sir.« Er achtete sorgfältig
darauf, den Kopf gesenkt zu halten, bis die Kutsche weggefahren
war, und als er schließlich aufblickte, wobei ihm das
Grinsen geradezu aus dem Gesicht platzte, war Johnny Lee Benson
da und grinste zurück, seine blauen Augen funkelten, und der
Hut auf seinen schwarzen Haaren war so weit zurückgeschoben,
daß es so aussah, als ob er gleich runterfallen
müßte, aber das tat er nie. Mallie fühlte, wie er
unter Johnny Lees Grinsen wuchs und wie ihm warm wurde, er
spürte, wie das Lachen aus ihm herausbrach, und das war
richtig, es war, wie es sein sollte. Es war nämlich Johnny
Lees Stimme in seinem Kopf gewesen, die >Jetzt! Nutz es
aus!< gesagt hatte, es war Johnny Lee gewesen, der ihm
beigebracht hatte, wie man eine Pittman reffte, ebenso wie Johnny
Lee ihm auch alles andere beigebracht hatte, wodurch sein neues
Leben ein solch rasanter, wilder Rausch geworden war, daß
Mallie jeden Tag ganz kribbelig aufwachte und jede Nacht lachend
und trinkend und neben Johnny Lee hertaumelnd zu Bett ging.
    »Was hast du eingesackt?« fragte Johnny Lee.
    »Mal sehen«, sagte Mallie. »Ich hab
vielleicht was erlebt!«
    Sie gingen eine kleine Gasse entlang, die von der Seitenwand
des Bahnhofs und einem Mietstall daneben gebildet wurde. Die
Gasse war voller zerbrochener Flaschen, und der Gestank von Dung
war atemberaubend, aber das störte Mallie nicht. Er zog die
Brieftasche heraus, die er den blonden Frau entwendet hatte.
Einen Moment lang hielt er sie ungeöffnet in der Hand. In
diesem Moment konnte so gut wie alles drin sein, es war so
gut wie alles drin, und was es auch war, er hatte es
beschafft, und Johnny Lee konnte es gar nicht abwarten, es
endlich zu sehen. Er, Mallie, sah es an der angespannten Haltung
von Johnnys Lees Körper, der sich auf die Stiefelspitzen
vorlehnte, in dem Ausdruck auf seinem sonnenverbrannten Gesicht
unter der zurückgeschobenen Hutkrempe. Und er, Mallie, hatte
die ungeöffnete Brieftasche in der Hand…
    Johnny Lee grapschte nach der Brieftasche. »Nun mach sie
schon auf, Herrgott noch mal!« Er fummelte an dem
Leder und

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