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Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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vom Zug aus in einem Nebel
aus Whiskey und Zigarrenrauch gesehen zu haben, zwinkerte.
Großstadt?
    Er buchte einen Flug nach Rawlins, ließ sich dort einen
Luftwagen reservieren und bezahlte die Tickets unter Angabe eines
falschen Namens in bar mit dem Erlös aus dem Verkauf von
Carolines Ohrringen in einer Goldbörse auf dem Weg zum
Flughafen. Da er bar bezahlte, brauchte er keine Ausweis- oder
Kontonummer anzugeben. Die Maschine ging in zwei Stunden. Als er
die Kabine verließ, wartete schon ein Gaist auf ihn, der
ihm lächelnd eine Rose hinhielt.
    Dieser Gaist war ganz anders als das Mädchen mit der
Holorose auf dem Po. Robbie verspürte eine sofortige
Abneigung gegen den Jungen: gegen die Augen mit der goldenen
Iris, Implantate, denen man schon von weitem den
rechtmäßig erworbenen, spießigen Reichtum seiner
Familie ansah. Gegen die leise Arroganz in der Form seiner
Lippen. Aber am meisten gegen etwas Tuntenhaftes, das Robbie
plötzlich an Hatton erinnerte. Er hatte gehört,
daß Gaisten immer Nachsicht mit Schwulen gehabt hatten,
daß sie AIDS sogar für ein Element der
Selbstregulierung des Planeten hielten. Und wenn man Prokop
glauben konnte, dann waren DeLorio und dieser verrückte
Millionär, der Prokop immer sein wollte, früher
vielleicht auch einmal, wer weiß… Robbie verzog
angewidert das Gesicht.
    »Mit Scheiße gezüchtet, Bruder«, sagte
der Junge und wedelte träge mit der Rose. »Genauso
verwandelt Gaia mit ihrer Selbstregulierung auch die sogenannte
Umweltverschmutzung durch den Menschen in einen Vorteil. Auf
diese Weise sorgt sie dafür, daß das Leben auf unserem
Planeten weiterhin günstige Bedingungen
vorfindet.«
    Die gefährlichste Bewegung für das Schicksal der
Erde, die es je gegeben hat, hatte McLaren beim Abendessen
gesagt, wobei er das Gesicht verzog, als ob er Schmerzen
hätte, dieser Heuchler. Hatte bei Caroline Eindruck schinden
wollen. Robbie hatte weiter aus dem grünen Pamphlet
vorgelesen.
    »Auch du bist ein Bestandteil des biologischen
Grundmusters«, sagte Goldauge. Seine teuren
Regenbogenhäute waren von dichten, borstigen, teuren Wimpern
umrahmt.
    »Ich besprüh mich mit Kölnisch Wasser aus der
Spraydose«, sagte Robbie, der sich an McLarens Argument
erinnerte, »und zerstöre damit Ozon – und
deshalb bin ich Bestandteil eines biologischen
Grundmusters?«
    »Und Gaia gleicht es aus, indem sie die von
Mikroorganismen auf dem Kontinentalschelf erzeugte
Stickstoffoxidmenge reduziert. Stickstoffoxid zerstört
ebenfalls Ozon in den oberen Luftschichten. Wenn du mehr tust,
tut Gaia weniger – um die Welt für das Leben stabil zu
erhalten.«
    Die erstaunlichen Augen des Jungen leuchteten. Er legte Robbie
eine Hand auf den Arm. »Alles, was der Mensch tut,
gehört zur Natur. Wir können nicht…«
    »Verpiß dich«, sagte Robbie und
schüttelte seine Hand ab. Er ließ den Jungen stehen
und marschierte zum Flughafenrestaurant hinüber. Ein
Schwuler. Ein reicher Schwuler. Vielleicht hatte McLaren dieses
eine Mal recht gehabt, und die ganze Bewegung stank von
unsichtbarem Geld, weil es die Großunternehmen und die
Regierungen dann leichter hatten, teure
Umweltschutzmaßnahmen abzuwürgen – aber wie auch
immer, was, zum Teufel, scherte ihn das?
    Nachdem er einen Sojaburger und ein bißchen
Grünzeug gegessen hatte – der Luftwagen würde
sagenhaft teuer sein, und die Goldbörse hatte ihn bei
Carolines Ohrringen übers Ohr gehauen, aber er hatte nicht
die Zeit gehabt, auf der Straße einen besseren Deal
auszuhandeln –, hob sich seine Laune. Als er seine Maschine
bestieg, lächelte er schon wieder. Schließlich gab es
mehr als nur einen Weg, an goldene Augenimplantate zu kommen. Er
war auf seinem Weg zu einem Vermögen. Noch mehr, er war auf
dem Weg zu ein bißchen unbürgerlicher Action.
Herrgott, wie hatte er bloß all die Wochen in diesem
Institut ausgehalten, die höflichen Mahlzeiten, die
gründlichen Routineuntersuchungen und das ganze Gesülze
pedantischer Spiddel wie Shahid? Aber er hatte sich nicht
abschrecken lassen: weder von Shahid noch von dem komischen
Gefühl in seinem Zimmer und in der TWA-Kabine, nicht einmal
von Caroline. Sie hatte ihm die Ohrringe geschenkt, aber er war
derjenige, der dorthin unterwegs war, wo etwas los war – zu
seinem großen Wurf. Das hier gehörte ihm
– ihm und Johnny Lee Benson, der seit fast
hundertfünfzig Jahren tot war, der jedoch der lebendigste
Mensch

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