Schaenderblut - Thriller
zurückkommen. Es ist nur schwierig, die Heilmethoden zu verstehen, solange man die Symptome der Krankheit nicht kennt.«
»Sie meinen, wie die Menschen überhaupt erst zu Werwölfen wurden?«
»Ja, die Theorien variieren je nach Kulturkreis. Oft kommt es sogar innerhalb eines Landes zu widersprüchlichen Aussagen. Es gibt eine Palette unterschiedlicher Möglichkeiten, Tiergeister zu beschwören. Die üblichste Methode, etwa bei den schamanistischen Gestaltwandlern, dem französischen loup-garou und den grausamen Leopardenmenschen aus Westafrika, besteht darin, sich das Fell eines Wolfes überzuwerfen. Einige tragen, um die Transformation herbeizuführen, ein Fell, das den ganzen Körper bedeckt, andere nur einen Gürtel oder eine Weste aus der Haut des Tiers, in das sie sich verwandeln wollen. Andere reiben sich die Haut mit einer Salbe oder einer Tinktur aus tierischem oder sogar menschlichem Fett ein. Die erwähnten Leopardenmenschen trinken ein magisches Gebräu, das aus den Eingeweiden ihrer menschlichen Opfer besteht, und sind der festen Überzeugung, dass es ihnen lykanthropische Fähigkeiten verleiht. Andere Quellen berichten, man müsse lediglich Wasser aus den Spuren eines Werwolfs trinken, um selbst zu einem zu werden.
Es gibt magische Texte, die komplizierte Rituale darlegen, mit denen der Animus eines Werwolfs herbeigerufen werden kann. So wird beispielsweise geraten, sämtliche Kleidung abzulegen und sich die Haut mit einem rituellen Balsam einzureiben, der auf dem Fett eines Wolfs basiert und mit Anis, Kampfer und Opium versetzt wird, sich dann einen Wolfspelz überzuwerfen und Bier zu trinken, das mit dem Blut eines Wolfes vermischt ist. Man kann sich lebhaft vorstellen, dass ein so komplexes Ritual – vor allem, wenn es den Konsum von Alkohol und Rauschgift beinhaltet – in Verbindung mit dem Wunsch der betreffenden Person, sich in einen Wolf zu verwandeln, leicht dazu führt, dass man sich einen Erfolg einredet.
Ebenso existieren zahlreiche Kulte und Sekten, die wilde Orgien veranstalten, bei denen lebende Tiere oder Menschen verzehrt und Tierfelle getragen werden. Viele der Teilnehmer schwören hinterher, sie hätten sich in mystische Kreaturen verwandelt. Die Mänaden, die den Weingott Dionysos und den gehörnten Waldgott Pan verehrten, führten wilde Bacchanale durch, in deren Verlauf sie lebende Tiere und Menschen verspeisten und Wolfsjunge an ihren Brüsten säugten. Die Issawiya, ein Gestaltwandler-Kult, der im nördlichen und westlichen Afrika beheimatet ist, führte ebenfalls solche Rituale durch, um Kräfte zu erlangen. Bei ihren Zeremonien streiften sie einem Kalb oder einem Bullen menschliche Kleidung über. Danach rissen sie das Tier in Stücke und verschlangen das rohe Fleisch.«
»Aber das sind Leute, die Werwölfe werden wollten . Was ist mit denen, die verflucht waren und gegen ihren Willen zu Monstern wurden?«
Ein Kichern ging durch den Hörsaal. Joe wandte sich um und starrte die Studenten an. Schlagartig wurde es ruhig. Er drehte sich zurück zum Professor.
»Nun ... dafür gibt es in der Regel nur wenige Möglichkeiten und die bestehen meist darin, dass man von jemandem, der bereits ein Werwolf ist, gekratzt oder gebissen wird oder unfreiwillig dessen Blut trinkt oder dass man von einer Hexe oder einem Zauberer verflucht wird.«
Joe schwieg einen Moment nachdenklich.
»Nehmen wir also an, jemand wird gebissen und von diesem Virus infiziert. Wie kann er sich wieder heilen?«
»Sie meinen, die Leute, die unfreiwillig zu Lykanthropen wurden? Manche glauben, wenn man die Blutlinie an ihrer Wurzel kappt, bei dem ursprünglichen Gestaltwandler, der für die Ausbreitung verantwortlich ist, befreit man damit alle Werwölfe, die mittels dieses Fluches erschaffen wurden. Der ursprüngliche Werwolf ist derjenige, der aus freiem Willen seine Kräfte erworben hat. Er wirft sich möglicherweise immer noch ein Wolfsfell über, wenn er auf die Jagd geht, und wahrscheinlich ist er neidisch auf seine Nachkommen, denen die Transformation ohne Zuhilfenahme eines Talismans oder Rituals gelingt. Aber die meisten sind sich darin einig, dass eine Silberkugel ins Herz, die Abtrennung des Kopfs oder das Verbrennen bei lebendigem Leib die einzigen sicheren Möglichkeiten sind, den Fluch zu überwinden.«
Joe zuckte zusammen und schwieg. Wenn das, was er vermutete, stimmte, dann war der Mann, der ihn vor über zehn Jahren entführt, verletzt, verstümmelt und fast ermordet hatte, derjenige,
Weitere Kostenlose Bücher