Schaenderblut - Thriller
über die Art von Freiheit erfahren, die er andeutete. Der Rest war maßlos entsetzt und hätte ihm für seine Bemerkung am liebsten die Augen ausgekratzt.
»Ich bin kein Flittchen!«, zischte sie, und in ihren Augen glänzten wütende Tränen.
»Doch, das bist du, Alicia«, antwortete Joe, ohne die Augen von der Straße abzuwenden. »Deshalb liebe ich dich so. Wir könnten niemals zusammen sein, wenn du es nicht wärst.«
»Schwachsinn! Dieser Fick-die-Gesellschaft-Scheiß ist für dich nur ein weiterer Vorwand, deinen eigenen Gelüsten nachzugeben. Menschen aufzufressen. Menschen, die du kennst und von denen du behauptest, dass du sie liebst!« Ihre Augen huschten über seine Stirn, als suchten sie dort nach einem Weg in seinen Kopf. Joe hielt den Blick fest auf die Straße gerichtet, als hätte er Angst, sich seiner Anklägerin zu stellen. »Du sagst diese ganze Scheiße nur, weil du dich eigentlich gar nicht ändern willst! Es fängt an, dir Spaß zu machen. Du bist süchtig danach und hast Angst, dass dein Leben ohne den Kick, andere Menschen zu essen, sterbenslangweilig wäre. Ich weiß es. Es ist das Gleiche mit mir und dem Sex. Er ist das Einzige, was dem Leben wenigstens einen minimalen Sinn gibt. Ich kann mir nicht vorstellen, auch nur eine einzige Nacht ohne ihn zu überleben. Und du hast Angst. Jetzt, wo wir angekommen sind, hast du eine Scheißangst, diesem Wahnsinnigen noch einmal gegenüberzutreten.«
Joes Gesicht verfinsterte sich, und seine Kiefermuskeln spannten sich, als bissen sie auf etwas, das zu hart war, um es zu zermalmen. Als sie ihn genauer betrachtete, kam es ihr tatsächlich so vor, als wären seine Zähne gewachsen.
Kapitel 33
Professor Locke hing schon seit mehreren Stunden am Telefon und war in höchstem Maße erstaunt über das, was er gerade erfuhr. »Sie meinen, es wäre möglich?«
»Theoretisch? Ja. Aber es gibt nun einmal keine empirischen Beweise. Sie sagen, ein Collegestudent habe Sie mit dieser Theorie konfrontiert?«
»Er behauptet, dass er selbst daran leidet.«
»Faszinierend.«
»Die Polizei vertritt die Ansicht, dass er einen anderen Menschen getötet und bei lebendigem Leib gegessen hat.«
»Mein Gott!«
Doktor Wilfred Dougherty arbeitete in der Neurologischen Abteilung der Seuchenschutzbehörde in Atlanta. Lockes Anruf war zu ihm durchgestellt worden, nachdem fast alle anderen Gesprächspartner ihn ausgelacht oder einfach aufgelegt hatten.
»Wissen Sie, da gab es einen forensischen Polizeipsychologen, der nachwies, dass bei 73 Prozent aller Serienmörder Gehirntraumata in frühen Entwicklungsjahren aufgetreten waren. Er entdeckte eine gesteigerte Aktivität im limbischen System des Gehirns. Sie ließ sich sogar durch CT-Scans nachweisen.«
»Ja, mit diesen Forschungen bin ich vertraut. Ich habe sie sogar in meinen Lehrveranstaltungen thematisiert. Was wurde aus der Theorie?«
»Man stieß auf einen gleich hohen Prozentsatz normaler, nicht straffälliger Personen mit vergleichbaren Gehirnanomalien. Fast jedes Kind fällt irgendwann mal von der Schaukel oder bekommt einen Baseball an den Kopf. Die wenigsten von ihnen werden deshalb zu Serienmördern. Doch soweit ich weiß, ist das die früheste Erwähnung durch Blut übertragener Pathogene, die so starken Einfluss auf das limbische System ausüben, dass sie den menschlichen Beutetrieb stimulieren und ein Raubtier in Menschengestalt hervorbringen. Klingt wie etwas aus einem Horrorroman, wenn Sie mich fragen.«
»Aber Sie halten es für möglich?«
»Nun, die Region des Gehirns, die wir das limbische System nennen, oder genauer den limbischen basal-ganglialen thalamocortikalen Kreis oder das viszerale Gehirn, kontrolliert unseren Drang zu fliehen oder einen Gegner anzugreifen in gleicher Weise wie unseren Sexualtrieb. Es ist an der Speicherung von Erinnerungen und der Auslösung von Emotionen beteiligt und spielt vermutlich eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung aller impulsbezogenen Informationen.
Eine Krankheit, die sich auf das limbische System auswirken und das Serotoninniveau in der Amygdala, dem Aggressionszentrum des Gehirns, erhöhen würde, könnte zu ernsthaften Störungen führen, die möglicherweise schwer genug wären, um für 99 Prozent aller Serienverbrechen verantwortlich zu sein. Nehmen wir das Trauma hinzu, selbst von einem Serienmörder attackiert worden zu sein. Dabei wirkt das Virus, das durch Körperflüssigkeiten übertragen wurde, auf den Hippokampus ein, in dem diese Erinnerungen
Weitere Kostenlose Bücher