Schängels Schatten
auch sei. Wo sollten wir anfangen zu suchen? Ich bin dabei nämlich wirklich nicht besonders weit gekommen.«
»Das werden wir sehen«, sagte sie. »Lassen Sie uns doch einfach mal unsere Informationen austauschen.«
Mike starrte in seine Tasse. Was hatte er zu verlieren? Er hatte zumindest die Chance, an der einzigen Person dranzubleiben, mit der Carola auch über ihren Plan gesprochen hatte. Und wenn er mit Anita Hoffmann zusammenarbeitete, begegnete er vielleicht der entscheidenden Information, die ihn zu Carolas Mörder führen konnte. Und zum Geld. Und abgesehen davon – unangenehm war ihm ihre Gesellschaft keineswegs.
»Also gut«, sagte er. »Versuchen wir es, Frau Hoffmann.«
»Schön.« Sie lächelte. »Und jetzt lassen Sie das mit der Frau Hoffmann. Ich heiße Anita. Schließlich sind wir ja alte Schulkameraden.«
»Alles klar. Ich heiße Mike. Eigentlich Michael. Aber den Namen bin ich nicht gewöhnt.«
Sie nickte. »Gut, Mike. Also – was hast du rausgefunden?«
Mike spürte, dass es gut tat, die ganze Geschichte jemandem zu erzählen. Was er wegließ, war alles, was das Geld und die Denkmalbesteigung betraf. Den Mord aus dem Jahr 1982 stellte er als Rechercheergebnis hin und verschwieg natürlich, dass er und Carola die Leiche entdeckt hatten. »Carola hat Nachforschungen über diese alte Mordsache betrieben«, schloss er. »Sie hat mit der Mutter des Toten gesprochen. Einer Frau Ramann, die in Ehrenbreitstein lebt. Sagt dir der Name etwas?«
»Nie gehört. Ich habe auch nicht gewusst, dass Carola dabei war, einen alten Mord aufzuklären.«
Sie wirkte plötzlich nachdenklich. »Jetzt verstehe ich natürlich, dass du glaubst, ihr Tod hinge damit zusammen.«
»Es ist eine größere Sache, als du gedacht hast. Wollen wir vielleicht doch lieber die Finger davon lassen?«
»Nein. Ich denke, wir sollten versuchen, der Sache mit dem Denkmal auf den Grund zu gehen. Soll die Polizei den Mord aufklären. Ich will mein Denkmalstück fürs Restaurant.«
»Was hat dir Carola erzählt?«, fragte Mike.
»Nur, dass sie das Denkmal sucht. Dass sie Hinweise dafür hat, dass jemand es irgendwo aufbewahrt, und sie wollte unbedingt wissen, wo.«
»Hat sie keine Andeutung gemacht? Keinen Ort genannt, wo sie vielleicht in den Tagen vor ihrem Tod gewesen ist?«
»Du meinst, sie hat vielleicht irgendwas überprüft? Einen Ort, wo etwas versteckt sein könnte?« Sie schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
»Hast du ihr auch vorgeschlagen, Teile des Kaisers in deinem Restaurant auszustellen?«
»Ja. Und sie fand die Idee gar nicht so abwegig.«
Mike starrte auf die Tischplatte.
»Was ist los?«, fragte Anita.
Er hob den Blick. »Denk bitte nach. Ich glaube, wir kommen der Sache auf die Spur, wenn wir wissen, wo Carola vor ihrem Tod gewesen ist. Sie hat sich die Straße in Neuwied notiert. Das Langendorfer Feld. Es klingt etwas abwegig, aber könnte es nicht sein, dass das Denkmal auf dem Gelände dieses verrückten Wenzeslaus versteckt ist? Vielleicht will er ein Superkunstwerk daraus machen.«
»Verrückte Idee. Wenn dem so wäre, würde er es uns bestimmt nicht erzählen. Und ganz sicher lässt er uns in seine Bude auch nicht rein. Abgesehen davon hat er garantiert nichts mit dem Denkmal zu tun. Dass Carola die Adresse aufgeschrieben hat, können wir hundertprozentig unter der Rubrik ›Besuch von alten Bekanntem verbuchen.«
»Warum bist du da so sicher?«
»Weil sie es mir gesagt hat.«
»Tatsächlich?«
»Aber ja.«
»Vielleicht hat sie dir das Entscheidende verschwiegen.«
»Ich habe sie gefragt. Sie hat sich für Wenzes nur wegen der Bilder interessiert. Warum hätte sie mich anlügen sollen?«
»Also gut. Die Frage ist, was machen wir jetzt? Dr. Lange hat erzählt, dass der Kaiserkopf im Mittelrhein-Museum zu besichtigen ist … Vielleicht sollten wir uns den mal ansehen? Es sind ja nur ein paar Schritte bis dahin.«
»Das wird uns zwar auch nichts nützen«, sagte Anita, »aber gut.«
Mike winkte dem Kellner.
»Zusammen oder getrennt?«, fragte er.
»Zusammen«, sagten beide wie aus einem Mund, und Anita grinste.
»Moment«, rief sie. »Wenn ich schon von deinen Ermittlungsergebnissen profitiere und demnächst eine Koblenzer Sehenswürdigkeit ausstellen darf, dann lade ich dich ein.«
Mike nickte. »Vielen Dank.« Er trug sein Geld immer in der Hosentasche mit sich herum. Münzen lose, die Scheine mit einer Geldklammer verbunden. Er hatte den ganzen Kram schon auf den Tisch gelegt.
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