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Schängels Schatten

Titel: Schängels Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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wundern sich vielleicht, warum ich Sie anrufe. Aber ich glaube, ich muss Ihnen etwas erzählen. Ich weiß, was Carola für eine Story im Sinn hatte.«
    »Tatsächlich?«
    »Wollen Sie es immer noch wissen?«
    »Ja, sicher.«
    Eine Pause entstand. Sie schien sich einen Ruck zu geben, bevor sie weitersprach. »Es ist das Denkmal.«
    »Sie wissen es wirklich«, stellte Mike fest.
    »Sie auch?«
    »Ich habe mittlerweile einiges rausgekriegt. Aber warum haben Sie mir das nicht gestern schon erzählt?«
    »Darüber sollten wir uns persönlich unterhalten. Kennen Sie die Kaffeewirtschaft am Münzplatz?«
    »Ich kenne den Münzplatz, dann werde ich das Lokal auch finden.«
    »Ich schlage vor, wir treffen uns da um eins.«
     
    Nach zwei Stunden intensiver Rachmaninow-Berieselung über den Discman im Hotelzimmer brach Mike zum Münzplatz auf. Voller Tatendrang beschloss er, zu Fuß zu gehen. Er hatte das Schloss noch nicht erreicht, da musste er feststellen, dass es bei der Hitze doch zu weit für einen Marsch in die Innenstadt war. So nahm er den Wagen. Er parkte am Moselufer, stieg schnaufend die Treppen neben der Alten Burg hinauf und erreichte den Münzplatz durch die schmale Straße, die aus unerfindlichen Gründen »Paradies« hieß.
    Auf dem Platz hatte sich jede Menge verändert. Das Burgtheater hatten sie abgerissen – das Kino, in dem es früher die berüchtigte »Palette« mit Pornofilmen gab. Unter den Halbwüchsigen war der Schuppen immer wieder Thema angeberischer Schulhofunterhaltungen gewesen. Vergleichbar nur mit dem »Goldenen Stern«, dem Koblenzer Traditionspuff im Altengraben. Mike fiel Jürgen Lange ein. Der hatte damals breit grinsend behauptet, jeden Film in der Palette gesehen zu haben, obwohl er gerade mal sechzehn war.
    An der Stelle des Burgtheaters erhoben sich jetzt Gerüste um einen Rohbau. Ein Schild informierte, dass hier das »Altstadtdomizil am Münzplatz« entstand.
    Die Kaffeewirtschaft hatte es früher auch nicht gegeben. Das Lokal war ein Straßencafé unter lang gestreckten Arkaden. Blaue Sonnenschirme beschatteten runde Tischchen und Rattansessel.
    Weder auf der Terrasse noch im Innenraum war Anita Hoffmann zu entdecken. Mike setzte sich an einen der Tische. Der Platz war immer mit Autos voll gestellt gewesen. Jetzt war alles frei, und in der Mitte plätscherte ein Springbrunnen. Ein phantasievolles Gebilde aus Stahl, Beton und aufspritzenden Fontänen.
    Mike bestellte einen Cappuccino und ein Käsebaguette. Der Kellner ging, und Mike fragte sich, was er von der Verabredung erwarten konnte.
    Warum hatte diese Hoffmann nicht gestern schon gesagt, was sie wusste? Sie wird mir nicht getraut haben, dachte Mike. Wahrscheinlich hatte Carola ihr genau wie ihm gesagt, es handele sich um ein großes Geheimnis. Das konnte er akzeptieren. Es machte Anita Hoffmann sogar sympathisch. Erst als wirklich feststand, dass Carola tot war, war sie auch bereit, darüber zu sprechen. Gut.
    Die nächste Frage war: Wusste sie etwas von dem Geld? Sicher nicht. Carola wird mit einer alten Bekannten vielleicht über ihre journalistische Arbeit gesprochen haben, aber dieses Geheimnis war tabu. Was natürlich nicht hieß, dass sie nicht doch eine Andeutung über das Versteck gemacht hatte. Vielleicht hatte sie eine auffällige Frage gestellt. Hatte wissen wollen, ob ein bestimmter Hang heute bebaut ist …
    Mike musste Anita Hoffmann aushorchen. Möglichst vorsichtig natürlich.
    »Ach, da sind Sie ja schon.«
    Mike wandte den Kopf. Er hätte die Frau, die neben ihm stand und gerade die Sonnenbrille abnahm, beinahe nicht wiedererkannt. Sie trug ein kurzes Sommerkleid in knalligen Gelb-Rot-Tönen, ihre karottenroten, gelockten Haare drängten unter einem breitkrempigen, gelben Sonnenhut hervor. Über der Schulter trug sie eine sackförmige Umhängetasche in leuchtendem Orange. Mike bemerkte, dass das Kleid ihre Figur betonte. Nicht schlecht, dachte er.
    Anita Hoffmann setzte sich, der Kellner kam und lud Mikes Bestellung ab.
    »Möchten Sie auch was?«, fragte Mike.
    Sie nickte. »Auch einen Cappuccino bitte.« Der Kellner verschwand.
    »Wie haben Sie mich eigentlich im Mercure-Hotel aufgestöbert?«, fragte Mike.
    »Ich habe es Ihnen doch selbst empfohlen«, sagte sie und lächelte. Das Rot ihres Lippenstifts passte perfekt zur Farbsinfonie ihres Kleides. Zu alledem holte sie auch noch eine rote Schachtel Marlboro heraus und steckte sich eine Zigarette an. »Sie wollten doch ein Zimmer mit großer Badewanne,

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