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Schängels Schatten

Titel: Schängels Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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gibt dem Taxifahrer ein viel zu hohes Trinkgeld; dafür holt der ihm auch den Kasten aus dem Kofferraum des Kombis. Schließlich braust das Taxi davon, und er steht allein in der Hitze.
    Er wartet, bis der Wagen nicht mehr zu sehen ist. Dann macht er sich an den Rückweg.
    *
    Es wurde zehn, und es wurde zwanzig nach. Mikes Unruhe wuchs. Um halb elf hielt er es in seinem Zimmer nicht mehr aus, fuhr mit dem Aufzug nach unten und ging zur Rezeption. Frau Mayer hatte wieder Dienst.
    »Guten Morgen, Herr Engel«, sagte sie. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Hat jemand nach mir gefragt?«, wollte Mike wissen.
    »Tut mir Leid. Niemand.«
    »Frau Hoffmann? Hat sie vielleicht angerufen?«
    Frau Mayer schüttelte den Kopf.
    Mike ging ein paar Schritte unschlüssig durch die Lobby.
    Ein Mann mit Kochmütze kam durch den Haupteingang herein, grüßte Mike freundlich und verschwand in Richtung des Speisesaals. Mike registrierte, dass er kurz zusammengezuckt war. Dreh jetzt bloß nicht durch, sagte er sich.
    Mike versuchte sich zu beruhigen und sah sich die Prospekte an, die an der Rezeptionstheke gestapelt waren. Konzerte in der Rhein-Mosel-Halle. Mittelrhein-Musik-Momente. Ein Festival mit der Rheinischen Philharmonie.
    Dann war es zwanzig vor elf.
    »Könnte ich mal telefonieren?«, fragte er Frau Mayer, die hinter dem Tresen am Computer beschäftigt war.
    Sie schob ihm einen Apparat hin.
    Als Erstes versuchte es Mike in Anitas Wohnung. Er ließ es klingeln, bis das Besetztzeichen kam.
    Dann bat er Frau Mayer um ein Koblenzer Telefonbuch und suchte eine Nummer heraus. Er wählte, und sofort war jemand dran.
    »Rhein-Eck-Stube, mein Name ist Simonis.«
    »Hier ist Engel. Kann ich bei Ihnen Frau Hoffmann erreichen?«
    »Tut mir Leid, Frau Hoffmann kommt immer erst am Nachmittag–«
    »Zu Hause habe ich es schon versucht. Hat sie vielleicht eine Handynummer?«
    »Entschuldigung, ich weiß nicht recht …«
    »Sie können sie mir ruhig geben. Ich bin ein alter Schulfreund von Anita. Wir sind für zehn Uhr hier im Mercure-Hotel verabredet gewesen, aber sie ist nicht gekommen.«
    »Also gut.« Der Mann, der sich mit Simonis vorgestellt hatte, diktierte eine Dl-Nummer.
    »Könnten Sie mir noch einen Gefallen tun?«
    »Aber sicher.«
    »Falls Frau Hoffmann doch in der nächsten Viertelstunde auftauchen sollte, sagen Sie ihr bitte, dass ich hier warte. Sie möchte mich dann bitte anrufen.«
    »Wie war Ihr Name noch mal?«
    »Engel.« Mike bedankte sich, wählte Anitas Handy an und bekam freundlich gesagt, dass der Teilnehmer nicht zu erreichen sei.
    Um elf probierte er es ein weiteres Mal in der Wohnung. Wieder nichts.
    Vor dem Hotel stoppte ein Taxi. Mike dachte schon, es sei Anita, aber dann stieg ein älteres Paar aus. Der Fahrer holte Gepäck aus dem Kofferraum.
    Als die Gäste das Hotel betraten, zwängte sich Mike an ihnen vorbei. »Sind Sie frei?«, fragte er den Taxifahrer.
    »Jetzt wieder.«
    »Zur Rheinstraße bitte.«
    »Warten Sie bitte«, sagte er, als sie an der Ecke hielten, wo die Rheinstraße von der Kastorpfaffenstraße abbog.
    Mike lief zum Eingang und klingelte. Keine Reaktion. Ungeduldig probierte er ein paar andere Klingelknöpfe. Als endlich geöffnet wurde, fuhr er zu Anitas Wohnung hinauf. Klingeln und Klopfen brachte nichts.
    Zwei Minuten später saß er wieder im Taxi.
    »Und wo soll’s jetzt hingehen?«, fragte der Fahrer.
    Zu Nickenich. Die Polizei einschalten. Anita vermisst melden. Zumindest Nickenich anrufen. Oder …
    Oder hatte Nickenich Anita festgenommen? Sollte er die Polizei anrufen, um nachzufragen? Er würde sich damit verdächtig machen …
    »Na, Meister, haben Sie sich entschieden?«, kam es von vorn.
    »Nach Oberwerth. Zum Parkplatz am Stadion.«
    *
    Der Feldweg verwandelt sich in einen schmalen Pfad, der zwischen den ansteigenden Bäumen verschwindet. Ab und zu gibt es tiefe Reifenspuren im weichen Boden. Offenbar von Holzarbeitern.
    Er zieht den schweren Kasten die Steigung hinauf. Als er die Kuppe erreicht hat, rast sein Herz, und dunkle Flecken schwirren vor seinen Augen. Er dreht sich um. Zwischen den Bäumen sieht man den Acker, den Feldweg und die quer verlaufende Straße, wo gerade ein Lkw entlangdröhnt. Weiter hinten erstreckt sich eine Ebene. Industrieanlagen. Wieder diese aufgeschichteten Steine. Daneben erhebt sich ein großer gelber Kran. Es gibt keine Wohnhäuser, viel freies Brachland. Ab und zu ein paar Erdhügel.
    Es ist still, nur in weiter Ferne rauscht leise der

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