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Schärfentiefe

Titel: Schärfentiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Mayer-Zach
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Sie erinnerte eher an Malerei als an eine Fotografie. Sie hatte einen metallischen Glanz, wirkte plastisch und war in verschiedenen Blau- und Grüntönen gehalten. Andere, die Ada nun nach und nach aus der Kiste nahm, schillerten in Pink, Orange und weiteren auffallenden Farben. Kunstwerke von Meisterhand. Gerlinde Wagner hatte sie nicht zum Narren gehalten.
    Erst auf den zweiten Blick erkannten sie die Fotomotive: Es waren allesamt junge Frauen und alle nackt. Auf einigen Bildern waren auch zwei oder mehrere Mädchen zu sehen, die wohl lesbische Szenen darstellen sollten. Einzig die weiblichen Geschlechtsorgane waren auf den Fotos scharf zu erkennen. Alles andere schien ineinander zu verschwimmen, vor allem die Gesichter waren meist unkenntlich, aber man konnte dennoch feststellen, dass es sich auf den verschiedenen Fotos immer wieder um andere Mädchen handelte.
    Der Begriff Schärfentiefe fiel Paula ein und das, was Blesch gesagt hatte. Dass das Wesentliche scharf sein musste, während der Hintergrund, das Unwesentliche, vage bleiben konnte. Hier hatte diese Technik eine neue Bedeutung erlangt.
    Paula wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Sie tat sich schwer. Wo war die Grenze zwischen Kunst und Pornografie?
    „Meinst du, dass das hier alles Urbans Werk ist?“
    Ada hatte die Fotos in die Kiste zurückgeworfen, nahm sich wahllos eine Schachtel nach der anderen und kramte darin herum.
    „Natürlich, von wem sollten sie sonst sein? Ist ja irre. Da ist alles voll mit solchen Fotos. Nicht zu glauben. Hat Urban die auch ausgestellt, oder hat er sie nur zu seinem Privatvergnügen gemacht?“
    Paula hatte keine Ahnung, aber in keinem seiner Fotobände hatte sie bisher Ähnliches gesehen. Sie nahm ebenfalls eine Mappe und blätterte darin.
    „Bitte sieh dir das an. Da hat er Briefe und E-Mails von Studentinnen aufgehoben.“ Sie las vor:
    Sehr geehrter Herr Professor Urban,
    ich habe von einer Studienfreundin erfahren, dass Sie immer wieder Modelle für Ihre Kunstaufnahmen suchen. Ich studiere an der Angewandten in Wien Fotografie, und es wäre eine große Ehre für mich, Einblick in Ihr Schaffen zu bekommen. Dafür würde ich Ihnen auch gern als Modell für Ihre Arbeit zur Verfügung stehen. Anbei übermittle ich Ihnen ein Foto von mir. Es würde mich sehr freuen, wenn Sie mich zu einem Fototermin einladen könnten. Ich bin in jeder Beziehung sehr flexibel.
    Mit freundlichen Grüßen
    Silvia
    Paula überflog noch den einen oder anderen Brief, alle waren ähnlich formuliert. Die jungen Mädchen waren offenbar ganz wild darauf gewesen, dem Professor als Modell zur Verfügung zu stehen. Wie hatte es Blesch formuliert? „Die Mädchen waren immer verrückt nach ihm gewesen.“
    „Was meinst du, jugendliche Neugier oder praktisches Karrieredenken?“, fragte Paula.
    „Ich denke, es war wohl von allem ein bisschen. Wahrscheinlich kam auch der Wunsch dazu, etwas Großes zu bewirken. Den meisten gelingt es nicht, etwas Herausragendes zu schaffen, und darum hängen sie sich an prominente Leute, in deren Schatten sie dann zumindest mitschwimmen und sich auch wichtig vorkommen können.“
    Ada unterbrach ihre philosophischen Betrachtungen und leuchtete mit der Taschenlampe auf den Inhalt derverschiedenen Plastiksäcke, die aneinandergelehnt auf dem Boden standen.
    „Schau her“, kicherte sie und hielt eine Medikamentenpackung in die Höhe. „Der hat Viagra gleich auf Vorrat eingekauft.“
    Dann zog sie aus einem anderen Sack eine rosarote Federboa hervor und schlang sie sich um den Hals. Dass sie verstaubt und möglicherweise von Spinnfäden durchzogen war, störte sie nicht.
    „Das ist ja ein richtiger Klamottenfundus“, stellte sie fest und schon klatschte sie einen Hut mit breiter Krempe auf ihre wuscheligen Haare. Als Nächstes kamen ein Batman-Umhang und eine dazupassende Maske zum Vorschein.
    Paula ging die Sache vorsichtiger an. Während Ada sich beschwingt um ihre eigene Achse drehte und die bunten Kleidungsstücke wie ein kleines Mädchen wechselte, überprüfte sie im Schein der Taschenlampe den Inhalt der Säcke und griff die Utensilien mit spitzen Fingern an.
    Von draußen war das Geräusch eines langsam vorbeifahrenden Autos zu hören. Sofort schalteten sie die Taschenlampe aus. Da standen sie nun im Dunkeln und warteten, was geschehen würde. Aber alles blieb ruhig. Das Auto fuhr weiter, niemand kümmerte sich um ihre kleine Verwandlungsparty.
    „Lass uns gehen, ich habe ein mulmiges Gefühl. Es ist schon

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