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Schärfentiefe

Titel: Schärfentiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Mayer-Zach
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zu Silvester täuscht er dann bei seiner Familie sicher einen wichtigen beruflichen Termin in Wien vor“, zischte Paula.
    Clea kam zurück. Ihr Gesichtsausdruck sprach Bände. Das „Öder Miesling“, das sie zischte, als sie wieder am Stehtisch angelangt war, war nur noch für den Feinschliff.
    „Wenn das dein Markus ist, dann vergiss den Typ. Der trägt sogar einen Ehering.“
    Paula ließ die geballte Faust auf den Tisch sausen, sodass die Flüssigkeit in den Häferln überschwappte.
    „Das stellst du dir sehr einfach vor. Wie soll ich ihn denn von einer Minute auf die andere vergessen? Hey, ich war der Meinung, dass ich mit dem Typ fix zusammen bin und zwar ohne Anhang. Seit einer Viertelstunde sieht es aus, als wäre alles eine Lüge gewesen. Ich habe aber keinen Schalter, um meine Gefühle an- und auszuschalten. Ich weiß nur, dass ich eine riesige Wut im Bauch habe.“
    Die Wirkung des Beerenpunsches hatte sich von der rührseligen Opernromantik zur aggressiven Streitlust gewandelt.
    „Komm, lass uns gehen. Das bringt doch nichts.“ Kurt legte seinen Arm um Paula.
    Sie schlug ihn weg.
    „Lass mich! Ich gehe jetzt zu ihm hin. Und wenn das seine Frau ist, dann soll sie wissen, was sie für einen miesen Typ zum Mann hat und was er ihr hinter ihrem Rücken antut.“
    „Das wirst du fein bleiben lassen“, schaltete sich Clea ein. Auch zwei Turbopunsch konnten ihre Ratio nicht trüben. „Was bitte hättest du denn davon? Bis auf die Genugtuung, eineEhekrise ausgelöst zu haben, gar nichts. Und dann das Kind, was kann das denn dafür, dass es so einen miesen Typ zum Vater hat?“
    „Du erwartest ernsthaft von mir, dass ich das jetzt einfach so hinnehme und weggehe, ohne dass ich ihm die Augen auskratze?“
    „Genau das erwarte ich von dir. Wir gehen jetzt. Alles was du im Moment tun würdest, könnte in die Hose gehen. Mal ganz davon abgesehen, dass du nicht mehr ganz nüchtern bist. Reden wir in Ruhe über alles und dann schauen wir weiter.“
    Widerstrebend ließ sich Paula wegführen. Als sie im Auto saß, liefen Tränen über ihre Wangen.
    „Das gibt es doch nicht. Das kann es doch nicht geben, dass mich dieser Mensch zum Narren gehalten hat. Warum? Ich habe ja nichts Besonderes an mir, dass unbedingt ich es sein musste, die er herumkriegen wollte. Warum lügt er mir das Blaue vom Himmel von wegen, wie schön es mit uns sei und wie es sein würde, wenn wir länger zusammen wären. Clea, erklär mir das. Ich meine, ich hab das doch nicht verdient, so hintergangen zu werden. Ich war es nicht einmal, die ihn angebaggert hat. Warum also das Ganze?“
    Clea nahm Paula liebevoll in den Arm. „Weil er sich vielleicht in dich verliebt hat. Du kennst meine Einstellung zur Liebe: Es ist ein rein chemischer Prozess. Diese Düfte eines anderen, die dich verrückt machen und nur eines in dir auslösen: so rasch wie möglich dem anderen an die Wäsche zu gehen und ihm so nahe wie möglich zu sein. Und wer träumt nicht gern von einer rosigen Zukunft? Aber genau das scheint es für ihn gewesen zu sein. Ein schöner Traum, den er mit dir teilweise ausleben konnte. Seine Realität ist brünett und scheint sehr liebenswert zu sein, ergänzt von einem blond gelockten Winzling, der grad mal den Windeln entwachsen ist.“
    „Aber wieso lügt er mich an und spielt mir etwas vor?“
    „Ich habe manchmal das Gefühl, dass Männer glauben, Frauen solche Sachen sagen zu müssen. So wie in den alten Hollywoodschinken. Sie glauben, dass Frauen solch ein Gesülze erwarten.“
    „Tun sie das denn nicht?“, mischte sich Kurt ein. „Ich weiß von einer Beziehung, die auseinandergegangen ist, weil der Mann seiner Frau nie gesagt hat, wie sehr er sie schätzt. Aber er war glücklich und sicher, dass das auch ihr genügen würde. Doch irgendwann war sie dann weg. Mit einem seiner Freunde, einem Hallodri, der wusste, was Frauen hören wollen.“
    „Und wie lange sind sie zusammengeblieben?“ Clea hatte einen Verdacht.
    „Nicht einmal ein halbes Jahr. Dann benötigte der Charmeur eine neue Muse. Aber der andere wollte sie dann auch nicht mehr zurückhaben.“
    „Ist mir doch wurscht, was andere machen. Was gehen mich deren Liebschaften an“, grantelte Paula. „Ich bin ja auch nicht dabei, wenn es bei denen super läuft. Ich will bloß wissen, wieso mir das passieren musste. Und vor allem will ich wissen, was ich jetzt tun soll. Was mache ich, wenn er morgen Vormittag anruft und mit mir plaudert, als sei nichts geschehen?

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