Schakale Gottes
konnte.
Pater Rochus erwartete sie im Entree zum Ballsaal des Theaters an der Senatorskaja. Fassungslos starrte er Natascha an.
»Das alles haben Sie hervorgezaubert!« sagte sie mit einem dezenten Knicks.
Er beugte sich über ihre Hand. »Ich habe allenfalls Ihren Zauber unterstrichen.«
Sie flüsterte: »Wenn Sie kein Priester wären, bekämen Sie jetzt einen Kuß.«
Er lachte. »Wo bleibt da die Gerechtigkeit?«
»Soll ich sie biegen?«
»Um Gottes willen, nein. Sie würde brechen.«
Während sie noch ihre Garderobe ablegten, stutzte plötzlich ein älterer Herr, der neben Fedor trat. »Ja, sehe ich richtig? Mein Goldschmied auf dem Wohltätigkeitsball?« Er musterte erstaunt seinen Angestellten.
Fedor Zadek reagierte überraschend. »Darf ich Sie mit meiner Schwester bekannt machen?« sagte er und wandte sich an Natascha. »Ich freue mich, dich meinem Chef vorstellen zu dürfen.«
Die Augen des Juweliers weiteten sich. »Ich bin entzückt. Mademoiselle. Es ist selten, daß ein Mensch eine größere Augenweide ist als kostbarer Schmuck.« Er küßte ihr die Hand, sein Blick aber löste sich nicht von ihrem Kollier. »Ich wußte gar nicht …«
»Und dies ist Pater Rochus, ein Verwandter, der dem Wohltätigkeits-Komitee angehört und uns eingeladen hat«, unterbrach ihn Fedor Zadek ungeniert.
»Oh, welche Ehre!« Der Juwelier reichte dem Pauliner die Hand und winkte mit der anderen ein junges Mädchen heran. »Darf ich Sie mit meiner Tochter bekannt machen …«
Namen wurden genannt, Hände geschüttelt, Komplimente gemacht. Der Juwelier empfahl seiner Tochter, seinen Mitarbeiter, den er überschwenglich einen der fähigsten Goldschmiede nannte, gar oft im Tanzbüchlein vorzumerken.
Fedor Zadek geriet in Fahrt. Er gab sich als Weltmann und strahlte, als der Juwelier sich mit einem jovialen: »Wir sehen uns noch«, von ihnen verabschiedete.
»Das haben Sie großartig gemacht!« lobte ihn Pater Rochus. »Als Verwandter komme ich nicht ins Gerede, wenn ich mich während Ihrer Tänze um meine ›Kusine‹ kümmere. Es wird nun aber notwendig sein, daß wir uns vor den anderen duzen.«
»Geht in Ordnung«, sagte Fedor burschikos. »Für mich ist das Treffen mit meinem Chef ein Glücksfall ersten Ranges. Für seine Tochter war ich bisher Luft. Erstaunlich, was ein kostbares Kollier bewerkstelligen kann.«
»Ich würde sagen: eine charmante junge Dame!« korrigierte ihn der Pauliner. »Wer innen hell ist, braucht sich den Glanz nicht von außen zu holen.«
Für Natascha wurde es ein traumhafter Abend. Unentwegt wurde sie zum Tanz aufgefordert. Sie bedauerte nur, daß sie sich kaum um Pater Rochus kümmern konnte.
»Sollten wir uns nicht noch eine Stunde in die Halle Ihres Hotels setzen?« fragte sie ihn, als es auf Mitternacht zuging.
»Herzlich gerne«, antwortete er. »Ich befürchte allerdings, daß Ihr Bruder lieber noch etwas hierbleiben möchte.«
»Das macht nichts«, erwiderte sie leichthin. »Ich werde ihn bitten, mich um ein Uhr abzuholen.«
7
Die Zeit, da er Samt am Kragen, aber Hunger im Magen gehabt hatte, glaubte Fedor Zadek endgültig hinter sich gebracht zu haben. Sein Chef hatte ihm bei der Verabschiedung in weinseliger Laune auf die Schulter geklopft und gesagt: »Die Sonne scheint über Gerechte und Ungerechte. Erinnern Sie mich morgen daran, daß ich Ihnen eine Erhöhung Ihres Gehaltes auf hundert Rubel versprochen habe.«
Was er in jahrelanger Arbeit nicht hatte erreichen können, spielte ihm das Glück nun über Nacht zu. Aber nicht nur diese erfreuliche Neuigkeit konnte er Natascha überbringen. Die Tochter des Juweliers hatte ihm erzählt, daß Pater Rochus hochangesehen und ungewöhnlich spendabel sei. Man vermute, daß er über eine Besitzung verfüge, deren Rendite er selbstlos abführe; denn er stifte jährlich fast fünf Prozent der Gesamteinnahme der Großen Wohltätigkeitsgesellschaft, die sich auf rund achtzigtausend Rubel belaufe. Während Fedor Zadek zum ›Bristol‹ fuhr und im Geiste seine Pläne schon erweiterte, saß Natascha mit Pater Rochus im Foyer des Hotels und genoß die Bewunderung, die er ihr entgegenbrachte. Seine Augen glänzten, in seiner weichen Stimme schwangen Zärtlichkeit und Verlangen. Es mochte ungehörig sein, aber es reizte sie, das Blut des Mönches in Wallung zu bringen und das Prickeln zu verspüren, das auf sie selbst überging. Nicht eine Sekunde dachte sie an das Ziel, das Fedor erreichen wollte. Ihr ging es nur noch darum, die
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