Schakale Gottes
argen liege. Er hatte dies für eine Übertreibung gehalten und sah nun, was gemeint war: Babuschka hatte alles von Wert verkaufen müssen. Eine große, nicht verblichene Fläche der Seidentapete ließ erkennen, daß dort ein Gobelin gehangen hatte. Leer war auch die Konsole unter einem goldgerahmten Spiegel, auf der früher wahrscheinlich eine Pendüle gestanden hatte. In einer Vitrine, die einst kostbare Porzellane und Kristalle enthalten haben mochte, befand sich wertloser Nippes. Die schweren Brokatvorhänge waren so brüchig, daß sie nicht mehr zugezogen werden durften. Auf dem Parkettboden zeigten helle Flächen, wo in besseren Zeiten Teppiche und Perserbrücken ausgebreitet gewesen waren. Das einzig Anheimelnde im Raum war ein Herbstblumenstrauß auf dem runden Marmortisch, an dem Roman Górski vor Wochen mit seinen Kameraden gesessen hatte.
Babuschka rauschte in den Salon, als gäbe sie einen großen Empfang. Ihre Wangen hatte sie kräftig gerieben, um frischer zu wirken. Noch bevor sie den Pauliner erreichte, streckte sie ihm die Hand entgegen. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Die Kinder haben mir ja schon viel von Ihnen erzählt.«
Pater Rochus verneigte sich. »Sie sind sehr liebenswürdig, Madame.«
»Nichts da«, wehrte die alte Dame ab. »Nennen Sie mich, wie mich alle nennen: Babuschka! Und meiden Sie französische Vokabeln! Napoleon, den die Preußen schlicht ›Nöppel‹ nannten, hat den Kampf unserer Legionäre mit Undank belohnt. Und Voltaire schrieb anläßlich der ersten Teilung Polens diesem preußischen Plumpudding mit russischer Soße, wie ich Katharina II. zu nennen pflege, es sei eine edle und nützliche Sache, der Anarchie in unserem Land ein Ende zu bereiten. Meiden wir also die französische Sprache.«
»Ich werde mich nach Ihren Wünschen richten«, erwiderte Pater Rochus amüsiert und überreichte die Bonbonniere. »Bitte, nehmen Sie sie anstelle von Blumen. Für einen Geistlichen ist es etwas mißlich …«
»Ich verstehe«, unterbrach ihn Babuschka und blickte mit einem halbgeschlossenen Auge zu ihm hoch. Gut aussehender Mann, dachte sie angetan. An die Geschichte mit seiner Besitzung glaube ich aber nicht. Wer in ein Kloster eintritt, hat sein Hab und Gut dem Orden zu vermachen. Nur wenn es sich um eine Erbengemeinschaft handelt, kann es Ausnahmen geben. Dann aber ist die Rendite abzuführen. Es wäre natürlich möglich, daß diesem Pater Rochus gestattet worden ist, sie der Großen Wohltätigkeitsgesellschaft zur Verfügung zu stellen. Die Pauliner sollen ja immens vermögend sein.
Die alte Dame riß sich aus ihren Gedanken und bat ihren Gast, Platz zu nehmen.
Er dankte und setzte sich.
»Sie waren sehr großzügig zu den Kindern.«
Der Pauliner machte eine Handbewegung, als wäre es nicht wert, darüber zu reden. »Es hat mir einfach Spaß gemacht. Ihr Neffe gefällt mir. Er scheint außerordentlich befähigt zu sein.«
»Sein Ehrgeiz ist noch größer.«
»Und Ihre Nichte ist so frisch und natürlich. Es ist eine Freude, sich mit ihr zu unterhalten.«
»Das dürfte auf Gegenseitigkeit beruhen«, erwiderte Babuschka nicht ganz ohne Hintergedanken. »Sie schwärmt geradezu von Ihnen.«
Dies entsprach keineswegs der Tatsache. Natascha hatte eher trocken über Pater Rochus gesprochen, doch die alte Dame war der Meinung, es könne nicht schaden, einem Mönch, der über so viel Geld verfügte, einige Artigkeiten zu sagen. Sie hatte schon den Entschluß gefaßt, ihn zu ihrem nächsten Bankett einzuladen. Auf den Betrag, den er in die Serviette praktizieren würde, war sie gespannt.
Fedor und Natascha erschienen wie brave Geschwister. Natascha hatte ein mausgraues Kleid angelegt, das am Hals mit einem kleinen weißen Kragen abschloß, der ihr eine herbe Note verlieh.
Beide begrüßten Pater Rochus mit einer Herzlichkeit, als seien sie seit Jahren mit ihm befreundet.
Babuschka registrierte dies mit Genugtuung und forderte ihre Nichte auf, ein Gläschen Portwein zu kredenzen. »Dank Ihrer gütigen Unterstützung können wir uns den heute leisten«, sagte sie an den Pauliner gewandt. »Ich habe mir nämlich erlaubt, von Ihrer Spende ein paar Rubelchen abzuzwacken.«
Natascha starrte ihre Tante entgeistert an.
»Brauchst gar nicht so entsetzt zu sein«, wies die alte Dame sie zurecht. »Hochwürden wird schon Verständnis dafür haben. Oder etwa nicht?«
»Selbstverständlich, Ma … Verzeihung, Babuschka soll ich ja sagen.«
Die alte Dame lachte. »Sie sind ein
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