Schakale Gottes
alles um die Einladung. Natascha hatte tausend Dinge zu tun, und als es endlich so weit war, daß sie mit Fedor aufbrechen konnte, bangte sie um ihre Frisur und den Sitz ihres Kleides.
Mit einer Droschke fuhren sie zum Hotel Bristol, wo ihnen zu ihrer großen Verwunderung Pater Rochus nicht in der weißen Kutte der Pauliner, sondern in der schwarzen Soutane eines Priesters entgegentrat. Er sah dadurch sehr verändert und wesentlich jünger aus. In der Kutte war seine schlanke Gestalt nicht zur Geltung gekommen. Auch gab er sich gelöster als sonst. Seine Bewegungen waren freier; man spürte die Freude, die es ihm bereitete, den Gastgeber zu spielen.
»Ich schlage vor, daß wir zunächst in der Halle Platz nehmen«, sagte er nach der Begrüßung und wies auf eine Sesselgruppe. »Ein Gläschen Likör vor dem Essen kann nicht schaden.«
Natascha musterte ihn von oben bis unten. »Sie sind ja ein richtiger Verführer!«
Er lachte. »Da meine Ordensbrüder Sie nicht hören können, fühle ich mich geschmeichelt.«
Sie nahmen Platz.
Pater Rochus bestellte Danziger Goldwasser.
»Wieviel Knöpfe hat eine Soutane eigentlich?« fragte Natascha mit einem Blick auf die lange Knopfreihe.
Der Pauliner hob die Schultern. »Ich habe sie nicht gezählt. Dreißig dürften es wohl sein.«
»Ein Glück, daß Sie nicht verheiratet sind.«
»Wie soll ich das verstehen?«
Natascha erkannte erschrocken, daß sie unüberlegt gesprochen hatte.
Fedor kam ihr zu Hilfe. »Sie meint, daß bei so viel Knöpfen immer einer anzunähen ist.«
Pater Rochus schaute belustigt zu Natascha hinüber. »Und davor bangt Ihnen?«
»Ganz schrecklich«, antwortete sie in ihrer Verwirrung.
Er wies auf die Gläser, die der Kellner gebracht hatte. »Trinken wir darauf, daß mir heute abend kein Knopf abplatzt.« Sie stießen lachend miteinander an.
»Morgen abend wäre das schlimm«, nahm Pater Rochus das Gespräch wieder auf. »Da bin ich auf dem Ball der Großen Wohltätigkeitsgesellschaft, deren Komitee ich angehöre.«
»Und wir sollten Sie im Namen unserer Tante für morgen abend einladen«, rief Natascha enttäuscht.
Pater Rochus war betroffen. »Ich bedanke mich sehr, doch ich kann der Einladung leider nicht Folge leisten.«
»Würde es übermorgen gehen?«
»Sehr gut sogar. Ich möchte unter diesen Umständen allerdings zur Bedingung machen, daß ich Sie und Ihren Bruder zum Wohltätigkeitsball einladen darf.«
Natascha und Fedor sahen sich überrascht an.
»Das ist sehr liebenswürdig«, sagte der Goldschmied nach kurzer Überlegung. »Aber …« Er unterbrach sich, als suche er nach einem Wort. »Um ehrlich zu sein: uns fehlt die erforderliche Gesellschaftskleidung.«
Natascha senkte den Kopf.
Auch Pater Rochus wurde verlegen. »Entschuldigen Sie, daß ich das nicht bedacht habe.«
»Unser Einkommen ist sehr gering«, sagte Fedor.
»Das gehört nicht hierher«, wies Natascha ihn zurecht.
Das Gespräch stockte und kam erst wieder in Gang, als sie den Speisesaal aufsuchten, wo Pater Rochus einen Tisch hatte reservieren lassen. Natascha erzählte von ihrer Tätigkeit als Telefonistin, von Babuschka und von ihren Eltern, die seit zehn Jahren in der sibirischen Verbannung lebten und ohne jeden Kontakt mit der Familie waren. Fedor berichtete von seiner Arbeit, ließ sich jedoch eingedenk des ihm von Babuschka und Natascha gegebenen Ratschlages nicht anmerken, welches Ziel er insgeheim verfolgte. Und Pater Rochus schilderte das Leben im Kloster, das zwar streng geregelt, aber nicht so weltabgewandt sei, wie vielfach angenommen werde. Später wurde er einsilbig. Es war zu spüren, daß ihn ein Problem beschäftigte.
»Ist Ihnen nicht gut?« fragte Natascha besorgt.
»Doch, doch«, erwiderte er. »Es ist nur …« Er zögerte. »Bitte, nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich nochmals auf den Wohltätigkeitsball zu sprechen komme«, sagte er schließlich. »Ich möchte, daß Sie an ihm teilnehmen. Lassen Sie deshalb die Beschaffung der Gesellschaftskleidung meine Sorge sein. Sie würden mir einen großen Gefallen tun«, fügte er schnell hinzu, da er sah, daß Fedor Einspruch erheben wollte.
Nataschas Wangen röteten sich. »Aber wir können doch nicht …«
»Warum nicht?« unterbrach er sie. »Wer auf das Glück wartet, erfährt es nicht. Man muß daran arbeiten und es unterstützen. Sonst bleibt es blind. Lassen Sie mich also die notwendige Hilfestellung geben.«
Natascha sah unsicher zu Fedor hinüber.
Der zuckte die
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