Schalom
ausstrahlte. Anna war sehr interessiert und stellte viele Fragen.
Gil konnte sich bestimmt nicht mal vorstellen, was er mit seinem unschuldigen Ausflug alles verursacht hatte. Wie hätte er auch ahnen können, dass der Bus gerade an dem Tag in den Abgrund stürzen würde, an dem er einen Ausflug machte, und dass im Bus deutsche Touristen sitzen würden? Er würde sich daran gewöhnen müssen, dass man in diesem Land ständig Bescheid sagen musste, wo man sich gerade aufhielt. Diesmal war es ein Unfall, aber es hätte auch ein Anschlag sein können.
Er würde es sich nicht verzeihen, wenn er erfuhr, welche Ängste er hervorgerufen hatte. Und bestimmt hätte er doppelt aufgepasst, hätte er gewusst, in welche Angst er seine neue Großmutter versetzt hatte. Es wäre besser, wenn seine Mutter sich nicht so aufgeregt hätte, dass sie den Weg nach Tel Aviv auf sich nahm und sich noch nicht mal von der Tatsache abschrecken ließ, dass auch Anna bei Zila sein würde. Ohne Gils Ausflug würde das alles nicht passieren, und wer wusste schon, wohin das alles noch führte.
Anna schob den Stuhl nach hinten, und Jaki begriff, dass sie jetzt die Tüte mit den Dingen abgab, die sie mit einer Pinzette in Gils Zimmer aufgesammelt hatten. War das nicht Selbstbetrug, wenn er an der Möglichkeit festhielt, dass Gils Verschwinden nur ein Trick war? Nein! Solange sich nicht, Gott behüte, die schlimmsten Befürchtungen als wahr erwiesen, war es besser so. Die Momente, in denen das Gefühl überhandnahm, dass Gil wirklich etwas passiert war, waren so schrecklich, dass er diese Möglichkeit schnell von sich wies. Anna hingegen war nicht fähig, sich selbst zu betrügen. Sie würde keine Illusion aufkommen lassen. Bei ihr musste alles klar sein. Egal wie groß die Gefahr war, sie würde darauf bestehen, Bescheid zu wissen, um einschätzen zu können, ob man Angst haben musste. Nie würde er die Dinge so klar sehen können wie sie.
»Jaki?«, plötzlich drang Annas Stimme in sein Bewusstsein. Er schüttelte seine Gedanken ab und wunderte sich, dass er die Frau fragen konnte, wie lange sie auf das Ergebnis der Untersuchungen wohl warten müssten. Und noch mehr wunderte er sich, als er hörte, dass sie die Untersuchungen erst dann vornehmen wollten, wenn die Identifizierung in Abu Kabir fehlschlagen sollte.
»Ich gehe davon aus, dass Sie dann Gewissheit haben werden, denn an seinen Füßen gibt es eindeutige Zeichen.«
»Welche Zeichen? Gil hatte nichts Außergewöhnliches an den Füßen.«
»Das verstärkt natürlich, was ich eben sagte, trotzdem kann ich Ihnen die Identifizierung nicht ersparen.«
Avri hatte vorher alles getan, um sie zu überzeugen, auf die Identifizierung zu verzichten und den DNA -Test abzuwarten, aber er war nicht da, er war zum Bahnhof gefahren, um die Mutter vielleicht doch noch abzuholen, deshalb konnte er sich jetzt nicht einmischen. Außerdem dachte Anna nicht daran, so leicht aufzugeben.
»Gut, wann müssen wir morgen dort sein?«, fragte sie.
Warum, zum Teufel, waren all diese Prozeduren nötig? Warum zeigte man ihnen nicht gleich ein Foto der Füße des Toten? Das würde doch alle Befürchtungen zunichtemachen. Worauf warteten sie?
Als das Taxi losfuhr, nachdem er dem Fahrer Zilas Adresse genannt hatte, sagte Anna, wenn sie erst um zwei Uhr nachmittags in der Pathologie sein müssten, hätten sie genug Zeit, um mit Avri nach Eilat zu fliegen, Vicky und Guy zu treffen und morgen Vormittag zurückzufliegen.
»Das sehen wir noch«, sagte er nach kurzem Schweigen, und obwohl er sie nicht ansah, spürte er, dass sie sich über dieses Zögern wunderte.
Sie schwieg und er war ihr dankbar dafür. Sie würde zum ersten Mal mit seiner Mutter zusammentreffen. Was wird diese Begegnung bringen? Wird das überhaupt eine Begegnung sein? Die Chance, dass das Eis brach, wäre größer, wenn Gil dabei wäre. Aber wenn Gil hier wäre, würde all das nicht stattfinden. Wieso bestand sie darauf, nach Eilat zu fahren? Wollte sie vor der Auseinandersetzung fliehen? Und hatte er das Recht, von ihr zu verlangen, dass sie sich dieser Situation aussetzte? Moment mal. Sie hatte doch vorgeschlagen, mit Avri zu fahren, bevor seine Mutter sie zu einem Treffen bei Zila gelockt hatte. Also wirklich! Wie konnte er nur glauben, dass Anna einer Auseinandersetzung, egal welcher Art, ausweichen wollte?
Während der ganzen Fahrt betrachtete Jaki durch das Fenster die Menschen, die in den vorbeifahrenden Autos saßen, und da Anna nichts
Weitere Kostenlose Bücher