Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
Vom Netzwerk:
sich ihr in den Weg stellte. Die Bäume verglühten, und das Wasser der Flüsse verdampfte zu Nebel. Mit der Druckwelle galoppierten Millionen von Dämonen über die Taiga, und wie Heuschrecken fraßen sie Tschutschana und Maganhir das Fleisch von den Knochen, bis nur noch weiße Skelette übrig waren.

[ Menü ]
    |420| 32
    Juni 2008, Tunguska – Countdown
    Svetlana verstand etwas von ihrem Handwerk. Es sah aus, als ob die Schere regelrecht über Leonids Kopf tanzen würde; eine schwarze Strähne nach der anderen fiel auf den Küchenboden. Ajaci knurrte leise. Offenbar war ihm die ganze Angelegenheit nicht geheuer. Dabei wich er seinem Herrchen nicht von der Seite. Leonid hingegen verzog keine Miene, als Svetlana ihn vor einem aufstellbaren Tischspiegel im Handumdrehen von einem Indianer in einen Gentleman verwandelte. Seine Frisur war kurz und modisch, aber nicht so raspelkurz, dass er dem Konterfei in seinem Armeepass glich, welches zusammen mit Viktorias Foto stündlich über den Bildschirm flimmerte. Leonids Porträt war schwarz-weiß und zeigte ihn blass und um einiges jünger in seiner schmucken Offiziersuniform. Viktoria erkannte ihr aktuelles Passfoto, das sie bei der Beantragung des Visums über das Ministerium für Wissenschaft und Technologie in der Russischen Föderation abgeben musste.
    Schließlich fuhr Svetlana mit dem Zeigefinger über Leonids verwegenen Dreitagebart, der Viktoria auf Anhieb ins Auge gefallen war und den sie so mochte.
    »Den muss ich dir abnehmen«, bestimmte Svetlana mit rigoroser Entschlossenheit, »damit du nicht aussiehst wie ein entflohener Sträfling. So etwas merken sich die Leute.«
    Leonid nickte stumm, und wenig später strich Svetlana genüsslich über seine glatten Wangen. »So gefällst du mir ohnehin besser«, sagte sie und zwinkerte ihm zu.
    Bei Viktoria gestaltete sich die Sache schwieriger. Es dauerte eine geschlagene Stunde, bis Svetlana ihr brünettes Haar in ein Marilyn-Monroe-verdächtiges Platinblond verändert hatte. Dabei wagte Viktoria es nicht, in den Spiegel zu schauen, während Svetlana in das auf Kinnlänge verkürzte Haar große rosafarbene Lockenwickler eindrehte und sie anschließend mit einem süßlich riechenden Haarfestiger besprühte.
    Leonid lächelte beide Frauen aufmunternd an. Die ganze Zeit über |421| hielt er Viktorias Hand, als ob er ihr bei einer Operation beistehen müsste.
    »Du siehst wunderbar aus«, flüsterte er ihr zu und küsste sie hastig, als Svetlana für kurze Zeit im Schlafzimmer verschwand, um Viktoria passende Kleidung herauszusuchen.
    »Wahrscheinlich falle ich in dieser Aufmachung weit mehr auf als vorher«, meinte Viktoria düster, als Svetlana mit einem giftgrünen Kostüm auftauchte, das sie alternativ zu ihren Trekkinghosen tragen sollte. Dazu offerierte die modebewusste Russin der eher rustikal eingestellten Deutschen ein paar hochhackige schwarze Pumps, die ihr von der Größe her passen mussten. Perfekt geschminkt, fehlte nicht viel und Viktoria hätte als Svetlanas jüngeres Double auftreten können. Erst als Svetlana ihr einen noch bis zum Jahr 2010 gültigen Reisepass in die Hand drückte, wusste Viktoria, worauf die ganze Aktion hinauslaufen sollte.
    »Ich benutze seit Jahr und Tag dasselbe Bild«, meinte Leonids ältere Freundin beinahe entschuldigend. »Ich bin einfach zu eitel, um ein neues Foto zu nehmen. Ein paar Rubel reichen, und die Frau auf der Passstelle zeigt jedes Mal volles Verständnis. Welche Frau will schon ein Ausweisfoto haben, auf dem sie zehn Jahre älter ausschaut, als sie sich fühlt?«
    »Soll das etwa bedeuten«, stammelte Viktoria und warf Leonid einen fassungslosen Blick zu, »ich soll mich Ihres Passes bedienen, um unerkannt nach Moskau zu gelangen?«
    »Ja, warum nicht?« Svetlana zeigte keinerlei Skrupel. »Wenn du heil in deiner Botschaft angekommen bist, schickst du mir den Pass an meine Adresse zurück.«
    »Und was wird aus Leonid?« Viktoria sah zu ihm auf.
    Svetlana kam ihm mit einer Antwort zuvor. »Das werden wir anschließend regeln.« Sie entschwand erneut in ihr Schlafzimmer und kam kurz darauf in einem atemberaubend knappen roten Kostüm zurück. Mit aufgestecktem Haar und blutroten Lippen setzte sie ein verführerisches Lächeln auf. Unter ihrer rotweißen Pünktchenbluse trug sie einen Push-up-BH, der ihre prallen Vorzüge noch eindrucksvoller zu Geltung brachte. Sie hatte sich unzweifelhaft aufgedonnert. Doch für wen? Diese Frage stellte sich Viktoria unentwegt,

Weitere Kostenlose Bücher