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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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mit ausdrucksloser Miene an Subbota, der daraufhin mit einer unwirschen Geste die Ketten lockerte.
    »Es wird wohl nicht lange dauern«, fügte Leonard hinzu. »Und doch empfinde ich es als notwendig, den Trauernden beizustehen.«
    »Was hast du vor?«, raunte ihm Aslan zu, als Subbota beiseite getreten war und zu den Schlitten ging. »Hast du es auf die Kleine abgesehen und willst schönes Wetter bei ihrem verrückten Vater machen? Ich glaube kaum, dass er sie dir freiwillig zur Frau gibt. Aber so, wie es aussieht, ist sie ein durchtriebenes Luder. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie den Kosaken zufällig in die Arme gelaufen ist. Wahrscheinlich hatte sie auch ihren Spaß dabei.«
    |145| »Halt die Klappe, du Idiot!«, zischte Leonard. Er verspürte den Drang, dem Gefährten eine handfeste Lektion zu erteilen, unterdrückte diesen Impuls aber, auch weil Subbota in der Nähe stand und eine Reitpeitsche in Händen hielt.
    In einem Nebenraum des kleinen Gotteshauses wurden die Leichen der Verunglückten aufgebahrt, unter denen sich auch Kissankas Mutter befand. Das Erdreich war zu dieser Jahreszeit bis in den Grund gefroren. Erst im nächsten Sommer würde es möglich sein, den Toten die letzte Ehre zu erweisen. Daher mussten eine hastig gelesene Messe und ein unaufgeräumter Schuppen ausreichen, bevor die Seelen der Verstorbenen endlich ihre allerletzte Reise antreten konnten.

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    10
    Juni 2008, Tunguska – GazCom
    Blinzelnd, wie durch einen dichten Nebel kämpfte sich Viktoria an die Oberfläche ihres Bewusstseins. Die Gestalt an ihrer Seite erschien ihr wie eine Figur, die von einem durchscheinenden Vorhang umgeben war. Das Atmen fiel ihr schwer, und ein heftiger Kopfschmerz setzte ein.
    »Viktoria – können Sie mich hören?« Die Stimme war dunkel, und im ersten Moment wusste sie nicht, ob es ein Mann war oder eine Frau, die sie auf Russisch ansprach.
    Unter großer Anstrengung versuchte Viktoria ihre Lider zu heben. Verschwommen erkannte sie die imposante Erscheinung von Doktor Parlowa.
    »Kann ich etwas trinken?« Es war mehr ein Flüstern, das Viktoria da zustande brachte. Sekunden später spürte sie eine Hand, die ihr den Kopf anhob und ein Glas Wasser an die Lippen setzte. Schluck für Schluck trank sie. Der Hals tat ihr weh, doch wenn sie sich recht besann, schmerzte ihr ganzer Körper. »Wo bin ich?« Sie hielt die Augen lieber geschlossen. Das Licht machte das Pochen in ihrem Schädel nur noch schlimmer.
    »In Sicherheit«, sagte die Ärztin und legte ihre große, warme Hand auf Viktorias Rechte, die kraftlos auf der Bettdecke lag.
    |146| Das penetrante Parfüm der Ärztin verursachte Viktoria Übelkeit. Sie würgte, und im Nu hatte sie eine Brechschale unter dem Kinn und eine helfende Hand im Rücken, die sie stützte. Schwer atmend legte sie sich zurück in die Kissen. Doktor Parlowa gab ihr noch etwas Wasser.
    »Was ist passiert?«, fragte Viktoria heiser. Mühsam versuchte sie, sich zu erinnern. Doch es waren nur grobe Fetzen, die sich erst Stück für Stück in ihrem Hirn zu einem Bild zusammensetzten. Von neuem öffnete sie die Lider und blinzelte die Ärztin an. »Wo ist Sven Theisen? Geht es ihm gut?«
    »Er ist im Camp und wohlauf«, erklärte die Ärztin mit freundlicher Stimme. »Während ihres Tauchgangs hat es einen Unfall gegeben«, sprach sie weiter. »Eine riesige Gasblase hat sich vom Grund des Sees gelöst. Die anschließende Welle ist wie ein Mini-Tsunami durch unser Camp gewirbelt und hat alles unter Wasser gesetzt. Professor Rodius versucht mit Professor Olguth und Sergej Bashtiris Leuten herauszufinden, warum es dazu kommen konnte.«
    Parlowas Stimme nahm unvermittelt einen traurigen Tonfall an. »Vitaly Jurenko ist bei dem Unfall ums Leben gekommen. Wir dachten, Sie wären auch ertrunken. Gestern Morgen lagen sie plötzlich bewusstlos vor den Waschräumen des Camps. Irgendjemand hat Sie in zu große Männerkleidung gesteckt und dort abgelegt. Von ihrem Taucheranzug fehlt hingegen jede Spur.«
    Allmählich dämmerte Viktoria, was ihr seit jenem unseligen Tauchgang widerfahren war, doch es erschien ihr zu verrückt, um es vor der Ärztin auszubreiten.
    »Können Sie sich an irgendetwas erinnern?«, bohrte Doktor Parlowa weiter.
    »Nein«, erwiderte Viktoria abwesend und stemmte sich mit beiden Armen auf die Kissen. Vorsichtig schaute sie sich um. Sie lag in einem weiß getünchten Krankenzimmer. Die Fenster schmückten Gardinen mit einem orangefarbenen Druck im Stil der

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