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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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verschämt zu Boden. »Also trifft dich eine Mitschuld.«
    Eine einzelne dicke Träne rann über ihre Wange.
    Leonard hatte das Gefühl, ihm würde das Herz zerreißen. Er hob die Hand, um sie zu trösten. Ja, sie hatte recht. Er hatte ein wenig gezögert, bevor er sie aus den Klauen dieses Lüstlings befreit hatte.
    Er zog sie nun doch zu sich herunter und nahm sie in den Arm. Sie begann erneut zu weinen, und er streichelte aus reiner Hilflosigkeit ihren Rücken.
    »Wenn mein Vater erfährt, dass ich es mit einem Kosaken getrieben habe, schlägt er mich tot«, flüsterte sie. »Die einzige Rettung wäre, wenn du die Verantwortung für das Kind übernehmen könntest. Du bist ein anständiger Kerl, und außerdem bist du den Russen wichtig. Wir könnten vielleicht sogar heiraten. Das ist in anderen Lagern nichts Ungewöhnliches.« Für einen Moment richtete sie sich auf und sah ihn flehend an. »Ich wäre dir eine gute Frau. Ich würde alles tun, was du von mir verlangst.«
    Leonard wusste beim besten Willen nicht, was er darauf antworten sollte.
    »Kissanka«, begann er vorsichtig. »Ich kann dich nicht heiraten. Ich habe schon eine Frau. Und sie erwartet auch ein Kind, genau wie du. Nur mit dem Unterschied, dass ich tatsächlich der Vater bin.«
    Sie schaute ihn an, als ob er sie geschlagen hätte. »Aber woher willst du das wissen? Du hast sie Monate nicht gesehen, und wer weiß, vielleicht |207| wurde sie auch vergewaltigt, und das Kind ist gar nicht von dir«, schrie sie ihn an. Dann fiel ihr Blick auf den Brief, und bevor Leonard es verhindern konnte, hatte sie ihn vom Boden aufgehoben und wanderte rastlos im Zimmer auf und ab, während sie zu lesen begann.
    Zu matt, um aufzustehen, ließ Leonard sie gewähren. Als sie alles gelesen hatte, sah Kissanka ihn mit ausdrucksloser Miene an. »Du wirst sie sowieso nicht wiedersehen, Leonard.« Ihre Stimme war kalt. »Sie ist eine Terroristin, sonst hätte man sie nicht in Tomsk eingesperrt. Oder sie ist eine Hochstaplerin und hat dich an die Russen verkauft. Wenn man gewollt hätte, dass ihr beide zusammenkommt, hätte man euch doch hierher verschicken können.«
    Mit der Überzeugungskraft einer Verzweifelten baute sie sich vor ihm auf und warf ihr langes rotbraunes Haar zurück. »Ich bin hier«, erklärte sie mit erstickter Stimme. »Und ich bin aus Fleisch und Blut. Ich liebe dich, Leonard, wie dich niemand sonst je lieben wird. Du kannst mich nicht einfach zurückweisen!«
    Leonard spürte, wie sich ein winziger Funke des Ärgers in ihm regte. Bei allem Verständnis, das er Kissanka entgegenbrachte, war er nicht bereit, Katja und ihr Kind zu verleugnen, dass das Licht der Welt erst noch erblicken würde. Den Ärger, den er sich einhandeln würde, wenn er sich zu dieser falschen Vaterschaft bekannte, war abzusehen. Nicht nur Katja würde enttäuscht sein, wenn sie eines Tages davon erfahren sollte. Wie Kommandeur Lobow auf diese Nachricht reagieren würde, war ebenso wenig zu erahnen. Nicht auszudenken, wenn er den Eindruck gewann, dass Katja nicht mehr das Druckmittel war, für das er sie hielt. Vielleicht würde er seine Boshaftigkeiten auf Kissanka übertragen und Katja und ihr Kind im wahrsten Sinne des Wortes zum Abschuss freigeben.
    »Es tut mir leid«, sagte er leise. »Ich kann bei deinem Vater Fürsprache halten und ihm erklären, dass dich keine Schuld trifft.«
    Wortlos schaute Kissanka ihn an und schüttelte den Kopf. Dann nahm sie ihr blaues Wolltuch, schlug es um ihre Schultern und ging ohne ein Wort des Abschieds hinaus.
     
    Drei Wochen später hatte Leonard den Vorfall schon beinahe vergessen. Mittlerweile plagten ihn andere Sorgen. Nur halbwegs genesen war er an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt.
    |208| Trotz der widrigen Umstände hatte er seit Katjas Brief wieder Mut gefasst und meinte, dass sein Aufenthalt in dieser Hölle einen Sinn hatte.
    Weinberg unterstützte ihn bei seinen wagemutigen Überlegungen, dass er eine automatische Steuerung entwickeln konnte, mit der man auch größere Luftschiffe über eine sehr lange Strecke zu lenken vermochte.
    »Auf die Übersetzung der Steuerungsruder kommt es an und auf den Motor«, sagte er, als ihm der Jude im Vorbeigehen in der großen Konstruktionshalle auf die Schulter klopfte.
    »So wie ich dich kennengelernt habe, dürfte die Umsetzung der Pläne für dich kein Problem darstellen«, erwiderte Weinberg. »Was den Antrieb betrifft, so lass dies nur meine Sorge sein. Ich habe eine Batterie

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