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Schandtat

Titel: Schandtat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Bring eine Tüte Erdnüsse mit, und sie werden kleine Kunststückchen aufführen.«
    »Du kannst es einfach nicht lassen, oder?«
    Er stand auf. »Nein. Ich komm so gegen fünf vorbei. Abgemacht?«
    »Abgemacht.«
    Eine Stunde später saß ich in meinem Zimmer, als Dad durch die Haustür kam. Ich starrte auf die Noten, die ich
lernen sollte, und dachte darüber nach, was wohl auf mich zukommen würde. Ich wusste zwar nicht, wie weit ich bei ihm gehen konnte, aber ich war mir ziemlich sicher, dass er sauer sein würde.
    Ich wartete darauf, seine Schritte auf der Treppe zu hören, doch es passierte nichts. Eigentlich sollte ich die Noten lernen, aber ich konnte mich überhaupt nicht konzentrieren. Wann immer ich auf die Notenblätter schaute, musste ich mir fünfzehn Sekunden später wieder in Erinnerung rufen, dass ich lernen sollte, und mich regelrecht dazu zwingen, mich zu sammeln.
    Ich konnte mich nicht daran gewöhnen. An ihn. An das Warten. Die Geduld. Es war, als hätte er mir bei meiner Ankunft einen Teller Freiheit gereicht, und jetzt, allein in meinem Zimmer, schien es beinahe so, als wollte ich, dass er ihn mir wieder wegnahm. Dass er endlich etwas tat. Irgendwas, nur nicht so dermaßen gelassen irgendwelche distanzierte Fragen über die philosophischen Aspekte meines Loserdaseins stellen. Ich wollte, dass er richtig sauer wurde.
    Ich fand ihn in der Küche. Auf der Theke stand eine Tüte mit Lebensmitteln, und der Kühlschrank war offen. Er nahm einen Beutel Tomaten aus der Tüte und legte ihn in das Gemüsefach, und selbst das machte mich schon ganz kribbelig. Alles musste perfekt sein. »Warum räumst du bloß ständig alles dahin, wo es hingehört?«
    Er drehte sich um. »Meinst du die Tomaten?«
    »Ich meine einfach alles. Um dich herum muss immer alles perfekt sein.«
    Er zuckte die Achseln. »Ich finde nicht, dass dem so ist.«
    »Das soll jetzt ein Witz sein, oder? Du schrubbst Fugen
mit einer Zahnbürste! Du spülst jede Art von Geschirr spätestens fünf Minuten, nachdem du es benutzt hast! Du sortierst die Zeitschriften im Fernsehzimmer alphabetisch! Du bügelst deine Jeans! Du verlässt jeden Morgen genau zur gleichen Zeit das Haus! Auf die Minute. Das treibt mich in den Wahnsinn!«
    »Was?«
    »Dad, wenn du Karotten schneidest, müssen alle gleich groß sein. Ich hab dich beobachtet. Wenn sie nicht die richtige Länge haben, wirfst du sie eben weg.«
    Er schaute durch das hintere Fenster, dann nickte er. »Vielleicht bin ich tatsächlich so.«
    »Die Untertreibung des Jahres. Wirst du niemals wütend? Wirfst du niemals mit Dingen um dich oder hinterlässt eine Schweinerei oder betrinkst dich oder tust irgendetwas, das zeigt, dass du ein menschliches Wesen bist?«
    Er sah mich an. »Worauf willst du hinaus, Poe?«
    »Ich will darauf hinaus, dass du heute in Mr Averys Büro nicht stinksauer geworden bist. Oder wenigstens jetzt. Es war, als wärst du gar nicht da gewesen. Einfach … gar nichts. Du bist noch nicht mal wütend deswegen, oder?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, bin ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    Er holte tief Luft, dann atmete er aus. »Ich bin nicht deine Mutter, Poe. Wir sind zwei völlig verschiedene Menschen.«
    »Ich weiß, dass du nicht meine Mutter bist, aber ich schätze, es wäre ganz nett zu wissen, dass du überhaupt irgendjemand bist. Ich meine, es ist so, als würdest du noch nicht mal …« Ich schüttelte den Kopf und wandte den Blick ab.

    Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Bitte, sprich weiter. Es ist so, als würde ich nicht was?«
    »Nein. Wenn es dir egal ist, dann ist es mir auch egal, und wenn ich reden will, kann ich mir dafür ja eine Pflanze suchen.«
    »Es ist mir aber nicht egal.«
    »Was ist dir nicht egal? Du sagst, du bist nicht wütend über mein Verhalten heute, aber verteidigt hast du mich in seinem Büro auch nicht. Im Grunde war es, als wärst du nur rein zufällig dort gewesen. Als wärst du eine Lampe oder so.« Ich verdrehte die Augen. »Dad, die Lampe.«
    »Wie möchtest du denn, dass ich mich verhalte?«
    Ich seufzte frustriert. Es war, als spräche man mit einer Tüte H-Milch. »Vergiss es. Ich geh aus.«
    »Okay.«
    Ich wandte mich zum Gehen, starrte den Flur entlang zur Haustür und drehte mich dann wieder um. »Hör zu, mir reicht’s! Okay? Du sagst okay ?«, schrie ich ihn an. »Was soll das? Wo bleibt: ›Nein, das darfst du nicht‹ oder ›Wohin gehst du?‹ oder ›Sei bis zehn zurück‹ oder ›Ruf mich an, damit ich

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