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Scharade

Scharade

Titel: Scharade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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aufgewachsen?«
    Sie ließ diesen Wechsel des Themas zu, weil sie glaubte, daß er vielleicht bereit wäre, über seine Vergangenheit zu sprechen, wenn sie ihm von ihrer erzählte. Was Dean ihr heute über ihn berichtet hatte, war zwar beunruhigend, aber sehr wahrscheinlich nicht so schwerwiegend, wie Dean es dargestellt hatte. Sie wollte erst Alex’ Version der Ereignisse jenes verhängnisvollen vierten Juli hören, aber er würde ihr nichts erzählen, wenn sie ihn direkt darauf anspräche. Wenn er es je tat, dann würde er Zeit und Ort dafür wählen.

    Â»Ich bin im Süden aufgewachsen, ja.« Sie sah, wie überrascht er war. »In Alabama, genauer gesagt. Ich habe jahrelanges Sprachtraining gebraucht, um den Akzent loszuwerden.«
    Â»Wie war denn die kleine Cat Delaney?«
    Â»Spindeldürr und rothaarig.«
    Â»Und was noch?«
    Sie fuhr mit dem Messer die Linien der blauweißen Karos auf der Tischdecke nach. »Das ist keine angenehme Geschichte.«
    Â»Ich glaube kaum, daß es mir den Appetit verderben wird.«
    Â»Da sei dir bloß nicht zu sicher«, sagte sie mit einem unsicheren Lachen. Sie begann, indem sie ihm von ihrer Krankheit erzählte. »Ich besiegte den Krebs, fühlte mich aber fast ein Jahr lang noch sehr schwach. Eines Tages ging es mir so schlecht, daß die Krankenschwester der Schule anbot, mich nach Hause zu fahren. Dads Auto stand in der Auffahrt, was ungewöhnlich war um diese Tageszeit. Ich ging hinein –«
    Die Kellnerin brachte ihre Salate.
    Â»Ich betrat das Haus durch die hintere Tür, weil ich dachte, daß Mom und Dad in der Küche sind. Doch es war sehr still im Haus. Später erinnerte ich mich an diese unheimliche Stille, aber damals bemerkte ich es gar nicht und suchte nach meinen Eltern.«
    Das Blut begann ihr in den Schläfen zu pochen, als sie vor ihrem geistigen Auge dem schrecklich dünnen Mädchen mit den nicht zu bändigenden roten Haaren, blaß und mit dürren Beinen, in viel zu weiten Shorts und neuen marineblauen Turnschuhen folgte, als es lautlos über den Flur ging, wo Fotos von ihr als Kleinkind sie aus Rahmen herab anlächelten.
    Â»Sie waren im Schlafzimmer.«

    Alex rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum. Sie spürte, wie er sich mit den Ellenbogen aufstützte und vorbeugte, schaute aber nicht vom Tischtuch auf. Sie fuhr mit dem Messer so konzentriert die blaue Linie entlang wie ein Kind, das bemüht ist, nicht über den Rand zu malen.
    Â»Sie lagen auf dem Bett. Im ersten Moment nahm ich an, sie würden ein Nickerchen machen, auch wenn es nicht Sonntag war. Es dauerte einige Sekunden, ehe ich begriff, was all das Rote war. Als ich es begriffen hatte, bekam ich es mit der Panik zu tun und rannte zu den Nachbarn; habe die ganze Zeit geschrien, daß etwas Schreckliches mit meiner Mom und meinem Dad geschehen sei.«
    Â»Allmächtiger«, flüsterte Alex. »Was ist geschehen? Ein Überfall?«
    Sie ließ das Messer fallen. »Nein. Daddy hat erst Mom und dann sich selbst mit der Pistole erschossen.«
    Sie sah ihn mit demselben Trotz an, mit dem sie damals den Mitarbeitern der Fürsorge und des Sozialamtes begegnet war. Ein Blick, der sich jedes Mitleid verbat.
    Â»Die nächsten acht Jahre verbrachte ich in Heimen und bei Pflegeeltern, wurde so lange herumgereicht, bis ich für mich selbst sorgen konnte.«
    Â»Was hast du gemacht?«
    Â»Wie meinst du das?«
    Â»Schule. Geld.«
    Â»Dein Salat verschrumpelt.«
    Â»Erzähl.« Er spießte ein Blatt seines Salats auf, aß es jedoch nicht, ehe sie ihre Schilderung beendet hatte.
    Â»Nach der High-School habe ich als Sekretärin für einen großen Warenfabrikanten gejobbt. Aber es führte zu nichts. Die Beförderungen gingen nicht nach Leistung, sondern nach Alter und Rang. Es war so unfair wie das Pflegesystem.«
    Â»Was stimmte denn damit nicht?«
    Â»Frag lieber: was stimmte denn?« Doch dann legte sie ihre
Gabel zur Seite und fuchtelte mit beiden Händen in der Luft herum, als wollte sie das Gesagte auslöschen. »Streich das. Das war eine grobe Verallgemeinerung. Die meisten Pflegeeltern sind bemüht und aufopferungsvoll. Es ist das Konzept, das verändert werden muß.«
    Â»Es ist immer noch besser als Waisenhäuser.«
    Â»Ich weiß.« Sie schob ihren Salat zur Seite. »Aber ein Zuhause bei Pflegeeltern

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