Schatten Blut
meine werten Freunde, den Wahrheitsgehalt dessen zu überprüfen, was dem Salubri zur Last gelegt wird. Denn um nichts anderes geht es hier, als die Schuld oder Unschuld dieses Einen herauszufinden.«
»Ist eigentlich Meineid erlaubt?« erkundigte ich mich verhalten. Ich war fasziniert, Darian in voller Aktion zu beobachten. Er schien ganz in seinem Element zu sein. Und er hatte seine Zuschauer fest im Griff, sie hingen nach diesen wenigen Worten bereits an seinen Lippen. Manipulierte er sie? Ich hoffte nicht, denn ich wusste, dass es streng verboten war.
Mein Vater lachte leise. »Wenn Lagat lügen darf wie gedruckt, dann sollte das Gleiche auch für Darian gelten.«
»Und so frage ich Euch«, fuhr Darian fort und wandte sich dabei direkt an Lagat. »Wo sind die Beweise für Eure Anschuldigungen, mein lieber Freund? Wo sind die Dämonen, die dieser Salubri beschworen haben soll? Ich möchte doch zu gern einen von ihnen zu den Vorwürfen befragen. Nun? Habt ihr einen dabei?« Darian sah Lagat herausfordernd an und als dieser Naridatha einen fragenden Blick zuwarf, säuselte er Lagats Tonfall imitierend: »Nein? Kein Dämon? Nicht mal ein ganz kleiner? Schade. Da seht Ihr es! Leere Worthülsen, werte Freunde!«
Vereinzeltes Gelächter brandete auf und es war Lagat anzusehen, dass er kurz vor dem Platzen stand. Doch noch war Darian nicht fertig. »Dann habt doch bitte die Güte und führt uns wenigstens einen oder zwei Angehörige jener Clans vor, die beinahe der Vernichtung durch eben jenen Salubri hier anheim gefallen sind, damit zumindest sie von den Missetaten berichten können. Wo sind sie?« Überdeutlich blickte Darian sich um, bis er wieder Lagat ansah. »Alle, die in der heutigen Nacht hier anwesend sind, gehören keinem dieser ominösen Clans an, denn wir kennen einander schon eine wahre Ewigkeit.«
»Er hat sich einem Menschen offenbart!« warf Lagat nun sichtlich zornig ein. »Das allein reicht, um ihn hinzurichten!«
»Ja, es würde ausreichen«, stimmte Darian ruhig zu und sah sich abermals um. »Doch wer von uns macht sich dessen nicht ebenfalls schuldig?«
Ein Raunen ging durch die Menge und einige ärgerliche Ausrufe wurden laut. Darian hob die Hände und verschaffte sich wieder Gehör: »Freunde, ich bitte Euch! Im Augenblick des Kusses offenbart ein Jeder von uns seine wahre Natur. Somit begeht ein Jeder von uns Maskeradebruch!«
»Das ist etwas völlig anderes!« riefen einige der Anwesenden aus und ernteten laute Zustimmung, während andere wiederum in Gelächter ausbrachen und bestätigend nickten.
»Ist es das tatsächlich?« griff Darian die Zwischenrufe auf. »Viele von Euch halten sich Menschen wie Haustiere, sie arbeiten für Euch, dienen zu Eurer Belustigung oder werden als reine Nahrungsquelle genutzt. Ist das nicht auch eine Form des Maskeradebruchs?«
»Gut gesprochen«, unterbrach Lagat ihn wutschnaubend, »doch habt Ihr eines vergessen, mein Freund: Keiner dieser Menschen bekommt die Chance zum Überleben!«
»Und dieser kleine Unterschied legitimiert diese Form des Maskeradebruchs, Lagat?« hakte Darian mit honigsüßer Stimme nach. »Ihr messt mit zweierlei Maß, guter Freund.«
»Sich einem Menschen zu offenbaren und ihn mit diesem Wissen laufen zu lassen, ist ein genauso schwerwiegendes Verbrechen wie der Verrat an seiner eigenen Rasse«, fauchte Lagat und ließ nun endgültig seine Maske fallen. Dann blickte er in die sie fasziniert beobachtende Menge. »Und daher fordere ich die Todesstrafe für diesen Salubri!«
»Ich kann mich als Prinz und Rechtsprechendem dem Wahrheitsgehalt in den Worten der Verteidigung nicht entziehen«, wandte Naridatha nun träge ein und trat einige Schritte vor. »Doch gebe ich auch den Worten der Anklage nach. Da ich mich jedoch nicht an einem möglichen Unschuldigen vergreifen werde, erbitte ich ein Gottesurteil. Geht dieser Salubri als Sieger daraus hervor, wird er von allen Anklagepunkten frei gesprochen und niemals wieder darf er dessen angeklagt werden!«
»Egal, wie Darian es gedreht oder gewendet hätte«, brummte Dad, »dieser Mistkerl hätte Thalion so oder so nicht entkommen lassen.«
»So aber kommt er mit einer weißen Weste da raus«, ergänzte ich grimmig. »Schlau ausgedacht. Aber nicht schlau genug!«
Inzwischen gab Darian den Anschein, als beugte er sich diesem Urteil. Er verneigte sich knapp in Richtung Thron, wobei ich nicht genau erkennen konnte, ob er damit nun die Frau oder Naridatha meinte, und zog sich ein paar
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