Schatten Blut
Gosse liegen würde. Sicherlich würde jemand ihn vermissen. Nahm denn niemand darauf Rücksicht?
Mein Seitenblick traf Darian, der konzentriert auf die Straße blickte. Ich wusste, dass er meinen Gedanken gelauscht hatte. Und ich wusste auch, dass er darauf keinen Kommentar geben würden, forderte ich ihn nicht direkt ein.
Auch er gehörte zu denen, die sich am Lebenssaft anderer bedienten. Auch er hatte diesen dunklen Ursprung, kannte das Töten, um das eigene Überleben zu garantieren. Und doch war er vollkommen anders.
Der direkte Vergleich zu Lagat stand mir vor Augen. Dieser Vampir verkörperte alles, was in Büchern und Schriften geschrieben stand. Er war dunkel, böse, berechnend und sehr überheblich. Und sicherlich auch skrupellos. Ein Gewissen hatte er nicht und auch hatte ich in ihm keinen Funken Wärme, Zuneigung und Liebe erkennen können. Er war mir wie ein Schwarzes Loch erschienen. Oder mehr noch, wie ein für einige Damen sicherlich sehr ansehnliches Gefäß, auf den zweiten Blick allerdings voll mit Boshaftigkeit und Egozentrik. Selbst Julie war auf ihn hereingefallen und hatte dafür einen hohen Preis zahlen müssen.
Ein krasser Gegensatz dazu war Darian. Ich glaubte, ihn inzwischen ein wenig zu kennen und stellte doch immer wieder fest, dass ich gar nichts von ihm wusste. Was hatte ihn dazu gebracht, so anders zu werden? Erkennen und verstehen von dem, was rund um uns herum geschah? Dazu gehörte moralisches Verständnis und das wiederum ging nur, wenn man ein Gewissen besaß. Ich glaubte kaum, dass das, was er für mich und auch für andere tat, aus reiner Berechnung heraus geschah. Dafür war er zu menschlich, zeigte zu viel Regung und auch Mitgefühl. Diese Punkte zusammengezählt bestätigten mir, dass er ein Gewissen haben musste! Was wiederum eigentlich unmöglich sein sollte, bezog man sich auf alte Schriften. Was also war geschehen, dass er anders war? Und warum schien er der Einzige seiner ganzen Art zu sein, der geweihten Boden betreten konnte? Lieferte die hauseigene Kapelle doch den Beweis dafür. Und mal ehrlich: Welcher Vampir besaß schon eine eigene Kapelle?
Ich schaute abermals kurz zu ihm hinüber. Er selbst zeigte keinerlei Regung, blickte starr geradeaus. Lachte er innerlich über meine Gedankengänge oder schirmte er sich ab, damit ich nicht tiefer in etwas schauen konnte, was er vermeiden wollte? Welche Abgründe waren in ihm vorhanden? Und die nächste Frage war: Wollte ich diese überhaupt sehen?
Sei versichert, du willst es nicht! kam diesmal eine Reaktion von meiner rechten Seite. »Es ist übrigens interessant mit anzuhören, wie du dir deinen hübschen Kopf über mich zerbrichst. Ich glaube kaum, dass jemals ein Mensch sich auch nur im Entferntesten solche Gedanken um mich gemacht hat, wie du es tust. Und ich weiß nicht einmal, ob ich dir dafür dankbar oder aber darüber verärgert sein soll.« Er schenkte mir ein kurzes Lächeln, ehe er wieder auf die Straße blickte. »Ich möchte offen zu dir sein, Faye. Es verwundert mich etwas, dass sich überhaupt ein Mensch die Zeit nimmt, sich mit mir und meinen Belangen zu beschäftigen. Und damit meine ich meine privaten Belange! Ich kann und will dir nicht versprechen, dass du jemals Antworten auf all deine Fragen bekommen wirst. Doch was ich tun kann, um dir meine Handlungsweisen etwas näher zu bringen, werde ich tun.« Seine Hand verließ das Lenkrad, legte sich über meine und drückte sie sanft. »Mehr ist mir leider nicht möglich.«
»Es sollte mir im Moment reichen«, gestand ich gerührt ein. »Danke, Darian.«
Ich hörte ihn leise lachen. »Ich danke dir, Faye. Und im Besonderen dafür, dass ich im Vergleich zu Lagat doch recht gut abgeschnitten habe.«
Diesmal lachte ich. »Das dürfte wohl kaum schwer fallen.«
»Meinst du, Faye! Einst war ich wie er, vielleicht noch schlimmer. Und möglicherweise bin ich es noch immer. Nein, versuch bitte nicht, das zu negieren. Tief in dir weißt du, dass es so ist. Und nun schlaf etwas. Wir haben noch eine längere Fahrt vor uns, bevor wir wieder daheim sind.«
Daheim! Das klang irgendwie gut. Vertraut, geborgen. Ich schmunzelte leicht. Ja, irgendwie fühlte ich mich auf dem Landsitz daheim.
Obwohl ich gar nicht müde war, gähnte ich. Eine Frage noch lag mir auf den Lippen. Sie endete in einem Gemurmel. Meine Lider wurden schwer und dann … nichts mehr.
– Kapitel Sechsundzwanzig –
I ch erwachte. Und ich fand mich in meinem Bett wieder. Komplett bekleidet,
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