Schatten der Liebe
der ihre Anforderungen erfüllte, obwohl sie ihn nur ungern das Ganze erzählen würde. »Stuart«, seufzte sie mit einer Mischung aus Zögern und Zuneigung. Stuart Whitmore war der einzige Junge gewesen, der sie gemocht hatte, als sie noch eine farblose Dreizehnjährige war; der einzige, der auf Miss Eppinghams Ball freiwillig mit ihr getanzt hatte. Er war jetzt dreiunddreißig und noch immer nicht gerade attraktiv - mit schmalen Schultern und braunem Haar, das sich bereits deutlich lichtetet. Er war aber auch ein brillanter Anwalt, ein faszinierender Gesprächspartner und - das war das wichtigste - ihr Freund. Vor zwei Jahren hatte er seinen letzten und kühnsten Versuch unternommen, sie in sein Bett zu bekommen. Er tat es auf typische Stuart-Art: So wie er dem Gericht perfekt ausgearbeitete Unterlagen präsentierte, hatte er alle Gründe einzeln aufgezählt, die dafür sprachen, mit ihm zu schlafen; seine Schlußworte waren: »... eingeschlossen, aber nicht auf dieselbe beschränkt, die zukünftige Möglichkeit einer Eheschließung.«
Überrascht und gerührt, daß er sie heiraten wollte, hatte Meredith ihn behutsam zurückgewiesen, während sie gleichzeitig versuchte ihm klarzumachen, daß seine Freundschaft ihr sehr viel bedeutete. Er hatte ihr intensiv zugehört und dann trocken erwidert: »Würdest du mir dann wenigstens erlauben, dich in einer rechtlichen Angelegenheit zu vertreten? Auf diese Art kann ich meinen verletzten Ego weismachen, daß ethische Gründe, nicht mangelnde Erwiderung meiner Gefühle unser Zusammenkommen verhindern.« Meredith war noch bemüht, die Bedeutung dieses Satzes zu ergründen, als ihr der hintersinnige Humor aufging. Ihre lächelnde Antwort war von Dankbarkeit und freundschaftlicher Zuneigung bestimmt: »Ganz sicher. Ich werde gleich morgen früh eine Tube Zahnpasta aus dem Drugstore stehlen, dann kannst du mich aus dem Gefängnis holen.«
Stuart hatte sich grinsend verabschiedet und ihr seine Geschäftskarte überreicht: »Berufe dich auf Paragraph fünf, bis ich da bin.«
Meredith griff zum Telephon und bat ihre Sekretärin: »Bitte verbinden Sie mich mit Stuart Whitmore von Whitmore & Northridge.«
Kurz darauf ließ der kurze Ton der Sprechanlage sie hochfahren.
»Mr. Whitmore ist auf Leitung eins, Meredith.«
Meredith holte tief Luft und nahm den Hörer ab. »Stuart, vielen Dank, daß du mich so rasch zurückrufst.«
»Ich war auf dem Weg zu einem eidesstattlichen Verhör, als ich hörte, wie meine Sekretärin deinen Anruf entgegennahm«, sagte er, und seine Stimme klang geschäftsmäßig, aber höflich.
»Ich brauche deinen juristischen Rat für ein kleines Problem«, erklärte sie. »Das heißt, eigentlich ist es ein recht großes Problem. Nein, ein riesiges.«
»Ich höre«, sagte er, als sie zögerte.
»Willst du, daß ich es dir jetzt erkläre? Am Telephon, wenn du in Eile bist?«
»Nein, nicht ganz. Aber du könntest mir einen Tip geben um meinen juristischen Appetit etwas anzuregen.«
Da hörte sie ihn - den trockenen Humor in seiner Stimme - und atmete erleichtert auf. »Um mich kurz zu fassen: Ich brauche juristischen Beistand für - für meine Scheidung.«
»In diesem Fall« - seine Antwort kam ohne Zögern und klang ausgesprochen ernst - »würde ich dir empfehlen, Parker erst einmal zu heiraten. Auf die Art können wir bessere Konditionen aushandeln.«
»Das heute ist kein Scherz, Stuart«, warnte sie, aber selbst durch das Telephon strahlte er soviel Zuversicht aus, daß sie lächeln mußte. »Ich bin in einer ganz dummen Zwickmühle. Und ich will so schnell wie möglich da raus.«
»Normalerweise ziehe ich solche Sachen gern in die Länge - das erhöht die Rechnung«, erwiderte er scherzhaft. »Aber ich denke, für eine alte Freundin werde ich meine Habgier ausnahmsweise einmal hintenanstellen. Hast du heute abend Zeit? Wir könnten zusammen essen.«
»Du bist ein Engel!«
»Tatsächlich? Gestern erst hat der Anwalt der Gegenpartei dem Richter erzählt, ich sei ein hinterlistiger Scheißkerl.«
»Das bist du nicht!« protestierte Meredith energisch.
Er lachte leise. »Doch, meine Schöne, da bin ich.«
27
Weit davon entfernt, ein Urteil über sie zu fällen oder gar ihr Verhalten als Achtzehnjährige zu tadeln, lauschte Stuart ihrer Geschichte schweigend und aufmerksam. Selbst als Meredith ihm enthüllte, wer der Vater ihres Babys war, verzog er keine Miene. Seine Emotionslosigkeit und sein andauerndes Schweigen verunsicherten
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