Schatten der Liebe
Menschen verändert hat? Was ist das für ein Gefühl, zu wissen, daß du meine kühnsten Träume, die meiner Mutter und auch meiner Tanten hast wahr werden lassen ...?«
Meredith kämpfte mit den Tränen. »Es ist ein ganz gutes Gefühl«, sagte sie.
»Glaubst du, daß sie uns zusammenwohnen lassen?«
Meredith nickte und strahlte plötzlich über das ganze Gesicht.
Aus einiger Entfernung beobachtete eine Gruppe anderer Schülerinnen überrascht, wie Lisa Pontini - die Neue - und Meredith Bancroft - die Reiche - aufsprangen, sich lachend und weinend umarmten und vor lauter Freude übermütig auf dem Schulhof herumhüpften.
6
Juni 1978
Das Zimmer, das Meredith und Lisa in Bensonhurst vier Jahre lang geteilt hatten, stand voller Bücherkisten und halbgepackter Koffer. An der Schranktüre hingen die blauen Talare, die sie gestern bei der Abschlußfeier getragen hatten, und auch die beiden Hüte mit den goldenen Quasten, Zeichen dafür, daß sie beide mit dem bestmöglichen Ergebnis abgeschnitten hatten. Lisa hockte in dem begehbaren Kleiderschrank und packte Pullover in eine Schachtel, während durch die offene Tür der ungewohnte Klang männlicher Stimmen ertönte: Väter, Brüder und Freunde der abreisefertigen Schülerinnen trugen Kisten und Koffer nach unten. Merediths Vater hatte in einem nahegelegenen Gasthof übernachtet und sollte sie in einer Stunde abholen, aber Meredith hatte jedes Zeitgefühl verloren. Sie saß über einem dicken Stapel von Photos, die sie beim Einpacken in ihrem Schreibtisch gefunden hatte, und schwelgte in Erinnerungen.
Die Jahre, die sie und Lisa in Vermont verbracht hatten, waren schön für beide gewesen. Entgegen Lisas ursprünglichen Befürchtungen, in Bensonhurst als Außenseiter zu gelten, hatte sie sich schnell einen Namen als Trendsetter gemacht; die anderen Mädchen hielten sie für avantgardistisch, und viele ahmten sie sogar nach. Bereits in ihrem ersten Jahr hatte sich Lisa bei der Planung und erfolgreichen Durchführung des Rachefeldzugs hervorgetan, mit dem sich Bensonhurst für einen Überfall revanchierte, den die Schüler des Jungeninternats Litchfield ausgeführt hatten. Im darauffolgenden Jahr hatte Lisa ein so spektakuläres Bühnenbild für das jährliche Theaterstück der Schule entworfen, daß Bilder davon in Zeitungen verschiedener Städte erschienen waren. Wieder ein Jahr später war es Lisa, die von Bill Fletcher zum Litchfield-Frühjahrsball eingeladen wurde. Bill Fletcher war nicht nur Captain der erfolgreichen Fußballmannschaft von Litchfield, sondern sah auch phantastisch aus und war außerordentlich klug. Am Tag vor dem Ball erzielte er zwei Treffer auf dem Fußballplatz und einen weiteren in einem nahegelegenen Motel, wo Lisa ihm ihre Jungfräulichkeit schenkte. Im Anschluß an dieses denkwürdige Ereignis kehrte Lisa fröhlich in ihr Zimmer zurück, das sie mit Meredith teilte, und erzählte den vier anwesenden Mädchen die Neuigkeit. Sie hatte sich auf ihr Bett geworfen und grinsend verkündet: »Ich bin jetzt keine Jungfrau mehr. Also fragt mich in Zukunft ruhig um Rat, wenn ihr etwas wissen wollt!«
Die anderen Mädchen betrachteten dies offensichtlich als weiteren Beweis für Lisas Emanzipiertheit, denn sie lachten und applaudierten, aber Meredith war besorgt und sogar ein wenig entsetzt. An jenem Abend hatten die beiden Freundinnen ihren ersten richtigen Streit, seit sie nach Bensonhurst gekommen waren. »Ich kann einfach nicht glauben, daß du das getan hast!« war Meredith herausgeplatzt. »Was ist, wenn du schwanger bist? Was glaubst du, was passiert, wenn die anderen das weitererzählen? Was ist, wenn deine Eltern davon erfahren?«
Lisa hatte nicht weniger heftig gekontert: »Du bist weder mein Kindermädchen noch für mich verantwortlich, also hör bitte auf, dich wie meine Mutter aufzuführen! Wenn du unbedingt warten willst, bis Parker Reynolds oder ein anderer Märchenprinz auf seinem weißen Roß kommt und dich in sein Schloß entführt, dann ist das deine Sache, aber erwarte nicht, daß alle anderen genauso denken! Ich habe den ganzen Keuschheits-Kram, den uns die Nonnen von St. Stephen's eingetrichtert haben, nie geglaubt«, fuhr Lisa fort und feuerte ihren Blazer in Richtung Schrank. »Wenn du so dumm gewesen bist, den ganzen Mist ernst zu nehmen, dann kannst du ja die Ewige Jungfrau werden, aber erwarte nicht von mir, daß ich mich genauso verhalte! Und außerdem bin ich durchaus nicht so lebensmüde, daß ich es riskieren
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