Schatten der Lust
Unsterblicher«, sagte sie und sah zu Mukasa, der höchst zufrieden an Deck stand. »Der Löwe will dich begleiten, aber für den Bären sorge ich. Er ist eine wilde Kreatur und uns willkommen.«
»Danke«, antwortete Hunter ernst, während sie einander ansahen – ein rein magisches Wesen das andere.
Sollte die Lebensmagie weiter abnehmen, wären Dyanne und ihresgleich die ersten, die verschwanden: die Undinen, Sidhe, Selkies, Kobolde und andere mythische Magiewesen. Als Nächstes bekämen es die halbmenschlichen-halbmagischen Wesen zu spüren, die Gestaltwandler und Werwesen, danach die Menschen, allen voran die Hexen, gefolgt von den nichtmagischen Wesen. Die todesmagischen Kreaturen würden sich von der letzten Kategorie ernähren: den Menschen, die vollkommen schutzlos waren. Vampire, Dämonen und sonstige Böse hätten ihre wahre Freude.
Und was kam dann? Lebens- und Todesmagie mussten im Gleichgewicht sein, andernfalls löste sich die Welt auf, und damit würden auch die todesmagischen Wesen sterben – als Letzte.
Hunter, der gerade die Taue losmachte, hielt inne. War das der Plan des Dämons? Hunter und seine Brüder waren geschaffen worden, um die todesmagischen Kreaturen davon abzuhalten, das Gleichgewicht zu ihren Gunsten zu verändern. Nicht dass ihre Göttinnenmütter sich sorgten, dass die Todesmagie gewinnen könnte. Sie wussten vielmehr, dass die Welt auseinanderbrach und verging, sollte sich das Gleichgewicht zu weit verlagern.
Falls etwas intelligentes Böses die Lebensmagie aus der Welt sog, wusste es, dass es sich damit am Ende selbst zerstörte. Was für ein Wesen war so selbstmörderisch veranlagt? Und was konnte Tain mit alldem zu tun haben – ausgerechnet Tain?
Als Hunter seine Familie verloren hatte, war Tain der mitfühlendste seiner Brüder gewesen. Die anderen hatten mehr oder minder angedeutet, er hätte sich eben gar nicht erst in einen Menschen verlieben dürfen. Zwar hatte er ihnen leidgetan, aber vor allem Adrian warnte ihn wieder und wieder, wie idiotisch es war, sein Herz zu verlieren. Liebe war Unsterblichen nicht bestimmt.
Hunter hatte diese Lektion auf bittere Weise gelernt. Seither interessierten Frauen ihn nur noch zum Vergnügen. Er genoss es, ihnen höchste Wonnen zu bereiten und währenddessen seinen Spaß zu haben. Er focht Schlachten aus, schlief mit Frauen, lebte so intensiv wie möglich und hielt seine Gefühle aus allem heraus.
Deshalb fragte er sich jetzt auch nicht, warum er mit dem Segelboot in See stach, um einer wunderschönen Hexe nach Los Angeles zu folgen, die in Gefahr sein konnte. Er dachte nicht darüber nach, dass er lieber überlegen sollte, wie er seine Brüder fand und die Todesmagie aufhielt. Würde er es tun, kämen zu viele Fragen auf, die er nicht beantworten konnte.
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Kapitel 9
S eit zwanzig Jahren wohnt meine Mutter hier«, sagte Samantha, als sie sich mit Leda im Wohnzimmer des Hauses umsah.
»Ich kann ihre Schutzzauber fühlen.« Leda schloss die Augen und berührte den Fensterrahmen, an dem sie die magischen Runen ertastete, die wie glänzendes Silber in ihrem Kopf erschienen. »Einige sind durchbrochen, andere aber immer noch intakt. Sie kann ich zumindest wiederherstellen.«
»Sie ist nicht freiwillig mitgegangen.« Samantha stemmte die Hände in die Hüften und schaute sich um, während Leda die beschädigten Zaubergrenzen reparierte. »Guck dich doch einmal um!«
Alles war ein einziges Chaos: Möbel lagen umgekippt auf dem Boden, mittendrin entdeckten sie ein zersprungenes Glas, von dessen Scherben Alkoholdunst aufstieg. Auch die Küche war verwüstet, der Fliesenboden blutverschmiert.
Samantha stand die Angst ins Gesicht geschrieben. »Sie haben das Blut getestet. Es passt zur DNA eines Haars aus der Bürste meiner Mutter. Das ist ihr Blut.«
Leda fühlte mit ihr. Als sie von der Krankheit ihres Mannes erfahren hatte und dass die Ärzte nichts mehr für ihn tun konnten, wollte Leda schreien, kämpfen, alles tun, um ihn nur nicht zu verlieren. Wie viel schlimmer musste es für Samantha sein, nicht einmal zu wissen, ob ihre Mutter noch lebte?
»Schutzzauber können magische Zugänge wie Portale abhalten oder wenigstens vor ihnen warnen, ähnlich einer Alarmanlage«, erklärte Leda. »Falls deine Mutter sich vor diesem Dämon fürchtete, muss sie sehr starke Schutzschilde gegen Portale installiert haben. Er wird wahrscheinlich auf anderem Weg eingedrungen sein.«
»Kannst du mir sagen, was hier passiert ist?«,
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