Schatten der Lust
Hand auf den Arm. »Komm mit. Wir müssen ins Haus gehen, wo es sicher ist – relativ. Und dann erzählst du uns genau, was passiert ist.«
Adrian und Hunter landeten nicht, wo Hunter gedacht hatte, dass sie landen würden. Er hatte angenommen, sie würden immer noch im Garten sein, wenn auch in einem unwirklichen. Stattdessen fand er sich in dem dämlichen Kerker wieder. Und nicht bloß das: Der Riss hatte Samantha mit eingesogen.
»Was mache ich hier?«, schimpfte sie. »Ich dachte, ich darf frühstücken!«
Keiner der Unsterblichen konnte ihr antworten. Die schmierigen Wände sahen noch unechter aus als beim letzten Mal, und der Raum verlor sich in Schatten, in die sie nicht vordringen konnten, als würde sich der Boden mit ihnen bewegen.
»Verdammt!«, fluchte Hunter nach zehn Minuten Nichts.
»Warte mal!«, sagte Adrian hinter ihm. »Sieh dir den Speer an!«
Die Kristallspitze leuchtete vor weißer Magie. Ferrin an Adrians Arm hob den Kopf und zischte.
Adrian nahm Samantha den Speer ab und hielt ihn vor sich. »Hier entlang!«
Er ging nach links. Hunter und Samantha folgten ihm. Wie vorher bewegte sich der Raum mit ihnen, so dass sie nicht bis in die Schatten gelangten, aber plötzlich trafen sie auf einen Mann, der in einem Lichtkegel stand.
Seit siebenhundert Jahren hatte Hunter Kalen nicht gesehen. Er sah wie damals aus, vom wirren schwarzen Haar bis hin zu den grauschwarzen Augen, nur war er jetzt nackt, und das Tattoo auf seinem Schenkel leuchtete in dem unheimlichen Licht. Er stand stocksteif da, die Hände hinter dem Rücken, den Kopf zurückgeworfen und das Gesicht dem Licht entgegengereckt. Von der Hexe Christine war nichts zu entdecken.
»Kalen!«, sagte Hunter leise. Er berührte seine Schulter, doch obwohl er leicht wippte, schien er fest in dem Zauber gefangen, mit dem er belegt war.
Adrian brachte den Speer und berührte Kalen mit der Spitze. Die Magie aus dem Kristall flackerte weiß, wurde dann aber auf einmal dumpf graugelb. Kalen rührte sich nicht.
»Das ist gar nicht gut«, murmelte Hunter.
Seine Hände begannen zu schwitzen, als er an den Schmerz dachte, den der Dämon ihm zugefügt hatte. Noch lebhafter erinnerte er sich an seinen Sturz in den schmalen Spalt in der Straße. Sein Plan war gewesen, Kalen in dieser Unwirklichkeit zu finden und ihn nach Ravenscroft zu bringen, wo sie sich sammeln konnten, bevor sie gemeinsam nach Tain suchten. Noch besser wäre gewesen, wenn Tain auch hier wäre und sie ihn gleich mitnehmen könnten.
»Schnappen wir ihn uns und verschwinden!«, forderte Hunter die beiden anderen auf.
»Was ist mit Samantha?« fragte Adrian.
Sie verschränkte ihre schmalen Arme und blickte die beiden trotzig an. »Ja, was ist mit mir? Wollt ihr mich etwa hierlassen?«
Halbdämon oder nicht, die junge Frau hatte Angst. Hunter legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Nein. Wir finden einen Weg, dich zu Amber zurückzubringen.«
Sie schien wenig beruhigt, als Adrian einen von Kalens Armen nahm und Hunter den anderen. Fast gleichzeitig glitt Ferrin von
Adrians Handgelenk und fiel mit einem unheilvollen Klatscher zu Boden.
»Mist!« Adrian ließ Kalen los und bückte sich, um den leblosen Ferrin aufzuheben.
»Ist er tot?«, fragte Hunter.
»Nein, aber bewusstlos.«
Hunter kam eine Idee. Er zog sein Schwert aus der Scheide, hielt es hoch und beschwor die Flammen im Geiste. Nichts geschah.
Er fluchte.
Adrian hielt Ferrin in der Hand. »Ohne meine Waffe kann ich kein Portal nach Ravenscroft öffnen. Kalen könnte es vielleicht, doch er fällt aus.«
»Wie wär’s, wenn wir in den Garten zurückkehrten? Falls wir können«, schlug Hunter vor.
»Nein«, erwiderte Adrian.
Samantha sah ihn mit großen Augen an. »Was? Wieso nicht?«
Adrian tippte einmal mit Kalens Speer auf den Boden. »Weil ich Kehksut will. Wenn wir in seinen kleinen Käfig gewandert sind, umso besser. Ich konnte nicht hinter ihm her, als Amber mich aus ihrem Turmzimmer befreite, weil ich ihr helfen musste. Aus demselben Grund konnte ich es auch beim Rufzauber nicht.« Ein fanatisches Feuer flackerte in seinen Augen auf. »Aber diese Chance lasse ich mir nicht entgehen!«
»Er ist verrückt«, sagte Samantha zu Hunter. »Ich dachte,
du
seist verrückt, doch er ist noch schlimmer!«
Funken tanzten in Adrians dunklen Augen. Er drehte sich wütend zu Samantha um, die ängstlich zurückwich und sich näher an Hunter drängte.
»Drei Unsterbliche sind besser als zwei«,
Weitere Kostenlose Bücher