Schatten der Vergangenheit (German Edition)
Gratulation.“
Alvarez klopfte Chus anerkennend auf den Rücken.
Chus Caravesso grinste stolz. Inez Caravesso war eine der typischen Polista Ehefrauen. Ein ehemaliges Modell, kein Topmodell, aber so bekannt, dass sie genügend Menschen in Argentinien erkannte. Sie nahm auch die häufigen Ausrutscher von Chus mit diversen anderen Frauen mit Gleichmut hin, so als gehöre es eben zu einer guten Polista Ehe dazu. Sie hatte vor ihrer Ehe gewusst, dass jemand, der so aussah wie Chus und der ständig von schönen Frauen umgeben war, nicht lange treu sein konnte. Er war kein schlechter Ehemann. Er verdiente gutes Geld, kam aus guter Familie, er konnte ihr ein buntes, soziales Leben bieten und er war ein guter Vater – und wenn es um seine Affären ging, war er so diskret wie möglich.
Geraldo strich dem fünf Jahre alten Jungen über die Haare.
„Hallo Tony. Willst du ein Eis?“
Er war der Taufpate des Jungen, einer von vielen Kindern. Inez begrüßte Don Geraldo mit einem Kuss auf die Wange und setzte sich. Ihre Beine waren in der Hitze geschwollen und sie fragte sich, warum sie noch immer hier und nicht in Punte del Este war? Dort könnte sie im Schatten der angemieteten Villa die Beine hochlegen und sich bedienen lassen, aber nun war sie hier und musste schon wieder einem Polospiel zusehen, wie eigentlich das ganze Jahr! Sie sagte aber nichts, sondern sah gelangweilt aufs Spielfeld.
„Wer ist dieser dünne Junge auf Angelos Pferd?“ fragte sie und zeigte auf Ana.
„Ana“, sagte Geraldo. Chus lachte, weil Inez Ana mit einem Jungen verwechselt hatte. „Ach ja, jetzt sehe ich ihre langen Haare.“ Sie sah Geraldo an.
„Ich wusste gar nicht, dass Ana zurück ist?“
Jeder hatte von Ana gehört. Eigentlich verkehrte sie nur mit Polistas, nicht mit ihren Ehefrauen und war häufig im Ausland. Sie kam selten nach Buenos Aires. Sie mied ihre Eltern, warum auch immer. Inez würde sie nicht meiden, besonders da sie doch soviel Geld hatten, aber wahrscheinlich war Ana eine eingebildete Zicke.
„Ja, aber sie fliegt bald wieder weg.“ „Das tut mir leid“, sagte Inez und meinte es auch so.
Sie sah Geraldo an, dass es ihn kränkte, dass Ana so rücksichtslos war. Genau, Inez fand, dass Ana rücksichtslos war.
„Ja, mir auch, aber sie ist erwachsen. Ich kann sie nicht einsperren... Ah, wenn man vom Teufel spricht.“
Ana war abgestiegen. Ein Stallbursche nahm das Pony und führte es weg.
„Hallo Inez, lange nicht mehr gesehen“, sagte Ana und fiel neben Chus in den Stuhl. Sie streckte ihre langen Beine aus. Mit den Knieschonern war es immer schwierig, mit angewinkelten Beinen zu sitzen.
Sie war verschwitzt und roch nach Pferd. Reiten mit ihren Landsmännern war etwas anders, als mit braven amerikanischen Jungs, dachte sie. Argentinisches Polo war hart und wild, aber auch elegant und es gab keinen Sport, den sie lieber machte. Oh ja, Argentinien würde für sie immer mit Polo verbunden sein.
Ihr Blick fiel auf die Wölbung unter dem graublauen Wickelkleid von Inez.
„Wow, du bist schon wieder schwanger!“ stellte sie fest und stieß Chus an. „Ha, die Caravessos brauchen eine eigene Polomannschaft, wenn du so weiter machst.“
Inez wurde rot. Chus kicherte und strich über Inez runden Bauch. „Dann muss das wieder ein Junge sein und dann fehlen noch zwei“, meinte Chus.
Ana lachte. „Das dauert aber noch“, meinte Geraldo, der Inez Befangenheit merkte.
Ana hatte einen Humor, wie ein Mann, dachte Geraldo schockiert. Sie saß auch da, wie ein Mann. Bis auf ihre langen Haare war da nichts Weibliches.
„Oh, ich bin mit drei Jahren schon geritten“, sagte Ana und klopfte Gras von ihrer weißen Jeans.
„Du bist auch eine Wilde“, sagte Chus und zog an Anas langen Haaren. „Wohin geht es eigentlich?“ fragte Inez. „Zurück nach Amerika?“
Ana nickte. „Ich habe noch ein halbes Jahr..“ „Vergiss nicht die Sachen einzupacken, die deine Mutter mit dir gekauft hat.“ „Die brauche ich eigentlich nicht. Ich war mit Philippe einkaufen. Ich habe mehr Kleider, als ich anziehen kann.“
Das war ihr einfach herausgerutscht. Sie wollte Philippe nicht vor ihrem Vater erwähnen, der sie ruhig betrachtete, so als hätte er von Philippe bereits erfahren.
Philippe? Wer war Philippe, fragte sich Inez und sah ihren Mann und Geraldo an.
„Du gehst mit Philippe einkaufen?“
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