Schatten der Vergangenheit (German Edition)
reiterlos waren.
„Du reitest Caracus?“ fragte Geraldo.
Caracus war das Lieblingspferd von Angelo Monteverdi und niemand außer ihm und Angelos Vater durften Caracus reiten. Wo war Angelo eigentlich? Geraldo sah sich um und sah ihn in Umarmung mit einer jungen Frau. Soviel zu dem Wunsch, seine Tochter könnte sich in den Polista verlieben!
„Angelo hat ihn mir geborgt. Er hat etwas Besseres zu tun“, sagte Ana und grinste, weil sie ahnte, dass ihr Vater sie verkuppeln wollte.
Geraldo atmete tief durch und strich sich die Haare zurück. Es war schwül und ihm war nicht gut. Er würde sich in den Schatten setzen, ein Mineralwasser trinken und sich wieder mal über seine Tochter ärgern. Oder über sich selbst, da er einen Moment lang gehofft hatte, seine schlaue Tochter würde eine menschliche Regung zeigen und sich wie ein normales, siebzehnjähriges Mädchen in einen Mann verlieben.
Ana und Chus sahen Geraldo nach, wie er langsam und mit schwerem Schritt, leicht nach vorne gebeugt, über das Feld zurück zu dem kleinen Cafe ging.
„Was ist mit ihm los?“ fragte Chus. „Er ärgert sich, weil er mich nicht manipulieren kann.“ Chus verzog den Mund. Er strich Ana eine Haarsträhne zurück und zog ihren Helmgurt zu. „Er ist dein Vater. Er liebt dich!“
Ana schüttelte den Kopf. „Komische Art, das zu zeigen. Er ist noch immer nicht im 21. Jahrhundert angekommen.“
Chus hörte ihr nur mit einem Ohr zu und sah noch immer in Richtung von Geraldo. „Er sieht krank aus, Ana“, stellte Chus sanft fest.
Chus hatte sehr früh seinen Vater verloren und wurde von seinem älteren Bruder mehr oder weniger großgezogen. Im Grunde suchte er immer noch nach einer Vaterfigur und verstand Ana in dieser Hinsicht nicht. Sie hatte doch einen Vater. Warum schätzte sie das nicht? Nur weil dieser vergaß, dass sie einen ausländischen Universitätsabschluss hatte? Wozu brauchte sie den überhaupt? Sie musste doch nicht arbeiten? Diesen Gedanken behielt er aber wohlweißlich für sich.
„Er hat keine Kondition. Er lief über das Spielfeld und ist deshalb außer Atem.“
Sie sah, wie ein Stallbursche mit einem Pony heranritt.
„Ah, da kommt mein Pony!“
Sie hatte eine Ahnung, warum Chus Mitleid mit ihrem Vater hatte, aber was sollte sie tun? Ihr Vater lebte und sie wünschte ihm auch nicht den Tod, aber ihre Welten waren so verschieden. Die einzige Gemeinsamkeit, die sie hatten, war die Liebe zu Pferden. Aber selbst da würde Geraldo sie lieber hochschwanger neben sich sehen und ihren Ehemann auf dem Pferd.
Beim Wort schwanger fiel ihr ein, dass sie keine Ahnung hatte, wann sie ihre letzte Menstruation gehabt hatte und die Frage nach dem Arzt nicht nur aus einer Trinklaune gestellt wurde. Sie musste sofort nach ihrer Rückkehr zum Arzt. Ein Kind wäre wirklich das letzte.
Und als könnte Chus Gedankenlesen, fragte dieser: „Was ist eigentlich mit Philippe geschehen?“ Er stieg auf sein Pony und ritt neben Ana her. „Was soll geschehen sein? Ich war betrunken und er hat mich nach Hause gebracht“, sagte Ana. „Ich hörte, ihr zwei konntet die Hände nicht voneinander nehmen“, bemerkte Chus. „Du kennst doch Philippe!“ versuchte Ana. „Ja, wir kennen alle Philippe. Der lässt dich doch nicht so einfach gehen!“ „Es ist aus, Chus. Finito!“ „So plötzlich?”
Chus sah sie direkt an. Ana schaute weg und blickte über das Feld. „Ja, so plötzlich. Ich bin jung, es gibt andere Männer..“ „Andere Männer? Du hast einen anderen? Wem?“ wollte Chus wissen. „Warte ab!“
Don Geraldo trank das zweite Glas Wasser. Sein Puls war wieder im Normalbereich und im kühlen Schatten bekam er auch wieder Luft. Der Arzt hatte ihn ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er sich nicht aufregen sollte, denn sein Blutdruck war erhöht, er war übergewichtig und seine Cholesterinwerte waren zu hoch. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass er ungesund lebte und es auch wusste. Geraldo war nicht dumm und gerne wollte er noch seine Enkelkinder sehen, die allerdings von Tag zu Tag immer weiter in die Ferne rückten. Ana benahm sich wie ein Junge, der sie nun mal nicht war. Sah denn niemand von diesen Polistas, dass Ana ein schönes, begehrenswertes Mädchen war? Waren sie alle blind? Verführte sie keiner? Oder gab es einen, an den sie das Herz bereits verloren hatte und er wusste nichts davon?
Wann rief sein Mann an? Er
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