Schatten Der Versuchung
Entschlossen, ihren Rückzug, den schlimmsten Fehler, den ein Kämpfer nur machen konnte, zu beenden, machte sie einen Schritt nach links. Wurzeln brachen rund um ihren Fuß aus dem Boden, schlangen sich um ihren Knöchel und hielten sie gefangen. Natalya führte ihr Schwert gegen ihren Angreifer und ließ die Klinge ihrem natürlichen Schwung folgen, sodass sie glatt durch die Schlingpflanzen schnitt. Blut quoll hervor, die Pflanzen verwelkten und sanken leblos auf den Boden.
Vikirnoff erschien hinter dem Vampir und schwang sein eigenes Lichtschwert. Der Kopf des Untoten flog durch die Luft, und Natalya durchbohrte sein Herz. Gemeinsam drehten sie sich um, um das kleine Trio von Klonen zu bekämpfen, das auf sie losging.
Der Lärm ringsum war ohrenbetäubend. Vikirnoff fiel zurück, um Natalya vor sich zu haben, in einer Position, wo er sie besser verteidigen konnte. Während er einen Schlag nach dem anderen austeilte und parierte, beobachtete ein Teil von ihm Natalya. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass sie beide vermutlich hier sterben würden, und der rasende Zorn in seinem Inneren legte sich. Sie kämpfte an seiner Seite, seine Kriegerin, sein Wunder, seine Gefährtin, die für ihn allein bestimmt und ihm in allem ebenbürtig war.
Wenn sie untergehen mussten, würden sie es zusammen tun, so wie es ihnen bestimmt war. Tränen stiegen ihm in die Augen angesichts der Erkenntnis dessen, was sie war, der Gaben, die sie besaß, und des Ausmaßes ihrer Liebe zu ihm. Sie liebte ihn genug, um sich zwischen ihn und den Tod zu stellen. Ich liebe dich. Er musste es ihr sagen. Sie musste wissen, dass er begriff, was er an ihr hatte, auch hier inmitten der Schlacht – gerade hier.
Sie warf ihm ein kurzes Lächeln zu, während sie ihr Schwert direkt in das Herz eines Klons stieß. Natürlich tust du das. Was denn sonst?
Geh! Vikirnoffs Stimme war scharf und eindringlich.
Natalya drehte sich um und rannte los, um sich zum Wald und der dicht gedrängten Schar von Karpatianern durchzuschlagen, die sich ihren Weg zu der einen Lücke in den Linien des Feindes erkämpften. Plötzlich regte sich etwas in ihrem Inneren und ließ sie herumfahren. Sie war einige Meter von Vikirnoff entfernt, aber sie konnte ihn deutlich sehen. Er war umzingelt. Schlimmer noch, viel schlimmer, der Boden um ihn herum wölbte sich zu kleinen Kuppen, die wie Termitenhügel aussahen. Insekten quollen aus den Erhebungen, und direkt hinter ihnen trat Razvan hervor.
Alles in ihr erstarrte. Das Kampfgetümmel schien in weite Ferne zu rücken. Da drüben war ihr Bruder. Ihr Zwillingsbruder. Sie hatte ihn seit einem Jahrhundert nicht mehr gesehen, aber in dem Moment, als sie ihn ansah, schienen die Jahre von ihm abzufallen und wieder den Jungen von früher vor ihr erstehen zu lassen. Er drehte sich um und schaute sie über die Köpfe von zwei Vampiren hinweg aus glitzernden grünen Augen, die allmählich tiefblau wurden, an. Tränen stiegen Natalya in die Augen. Sie wusste nicht, ob sie vor Kummer oder vor Freude weinte.
Vikirnoffs Klinge bohrte sich tief in einen der Vampire, aber ein anderer, der direkt hinter ihm stand, versetzte ihm einen harten Schlag, der ihn in die Knie zwang. Ihn auf dem Boden liegen zu sehen, riss Natalya schlagartig aus ihrer Erstarrung. Sie rannte los und sprang in die Luft, um dem ersten Klon im Sprung einen Tritt an den Kopf zu geben und den anderen mit einem Schwerthieb fast in zwei Hälften zu zerschneiden. Sie landete auf dem Boden und lief weiter, immer noch ein ganzes Stück von ihrem Ziel entfernt.
Vikirnoff schlug einen Salto und stand wieder auf beiden Beinen. Sein Schwert funkelte, als er mehrere Attacken parierte, einen direkten Treffer in ein Herz landete, es in Brand steckte und dem letzten Vampir die Kehle durchschnitt. Jetzt stand er Razvan gegenüber. Seine Lungen brannten, und er spürte jede Wunde, jeden Schnitt; er fühlte, wie kostbares Blut aus seinem Körper floss. Er hatte keine Ahnung, wie viele Klone er zerstört hatte, aber so schnell sie vernichtet wurden, so schnell schuf Maxim neue, um sie zu ersetzen. Sie waren alle Schachfiguren, die geopfert wurden, während Maxim unbehelligt blieb und darauf warten konnte, dass die Kräfte der Jäger erlahmten. Auch Natalyas Bruder wartete.
Vikirnoff wusste sofort, wer er war. Razvan und Natalya waren keine eineiigen Zwillinge, aber ihre Augen waren gleich. Als er in diese dunklen, nun mitternachtsblauen Augen sah, empfand Vikirnoff Trauer. Er hatte keine
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