Schatten Des Dschungels
meine Stimme kühler geworden. »Vielleicht will er damit sagen, dass er einen Ausweg weiß, wie man diese Seuche besiegen kann. Oder dass es noch Hoffnung für die Regenwälder gibt, dass er einen anderen Weg sieht, sie zu schützen.«
Andy schnaubt. »Du biegst es dir so zurecht, wie du es gerne hättest. Er pfeift und du springst, das ist es doch im Grunde! Ich glaube, Falk hat dich von Anfang an manipuliert, vergiss nicht, er hat mal Psychologie studiert!«
»Blödsinn«, fauche ich zurück. Nie, kein einziges Mal, hatte ich das Gefühl, dass Falk mich manipulieren will. Ja, von Anfang an habe ich ihn bewundert, ich wollte so werden wie er, aber kann man ihm das vorwerfen?
»Cat, dieser Mann ist gefährlich!« Andy klingt jetzt richtig verzweifelt – so verzweifelt, wie ich mich schon seit unserer Rückkehr fühle.
»Wieso sollte er das sein?«, schieße ich zurück. »Weil er einmal eine gefährliche Idee hatte?«
»Weil jemand, der eine so schlimme Krankheit auf die Welt loslässt, einfach nicht richtig im Kopf sein kann, Cat!«
Ja, es war furchtbar, was wir getan haben. Ich kann den Anblick dieser kranken Kinder nicht vergessen, und mir wird fast übel, wenn ich nur daran denke, dass das unsere Schuld ist. Aber es ist seltsam … ich glaube trotzdem nicht, dass Falk psychisch krank ist. Er ist ebenso wenig verrückt wie die anderen Mitglieder von Last Hope. Deshalb gebe ich zurück: »Aha. Du hast Falk vor einem halben Jahr zweimal kurz gesehen, aber seinen Gesundheitszustand kannst du bestens aus der Ferne beurteilen.«
»Vielleicht ist es auch besser, dass ich ihn nicht kenne«, sagt Andy bitter. »Anscheinend ist er ja dermaßen charismatisch, dass er jeden in seinen Bann zieht. Wahrscheinlich hätte er es auch bei mir geschafft. Mich zu überzeugen, meine ich.«
»Wer weiß«, sage ich, ignoriere Andy und lese die Mail noch einmal. Im Internet finde ich heraus, dass das PS ein Zitat des römischen Philosophen Seneca ist. Wenn du geliebt werden willst, dann liebe selbst!
Als ich das lese, muss ich die Zähne zusammenbeißen. Ja, ich liebe ihn noch, ja, verdammt, es hat keinen Sinn, mich selbst zu belügen.
Ich muss zu diesem Treffen gehen. Ich muss und ich werde. Wenn ich jetzt nicht mit Falk spreche, werden mich die Gedanken an ihn und Last Hope verfolgen bis in alle Ewigkeit. Am besten wäre es, wenn ich bis nach dem Treffen mit dem Gesundheitsamttypen warten würde. Aber ich fürchte, das schaffe ich nicht. Ich muss Falk einfach sehen. Jetzt.
Mit einer Handbewegung schließe ich mein Postfach und stehe auf.
»Wir können bis heute Nachmittag hierbleiben, Yasin hat gesagt, das ist kein Problem, und von hier aus ist es nicht weit bis zur Bavaria«, meint Andy und wirkt verblüfft, als ich den Kopf schüttele. Dann sieht er den Ausdruck in meinen Augen und begreift. »Du gehst hin? Zu ihm?«
»Ja«, sage ich. »Ich gehe. Allein.«
Andy atmet tief ein. Er lässt mich keinen Moment aus den Augen. Ganz ruhig sagt er: »Und was ist, wenn es ein Hinterhalt ist?«
Auf diesen Einwand habe ich gewartet. »Die DVD mit den Daten lasse ich hier bei dir. Wenn ich nicht bis halb drei zurück bin, dann gehst du an meiner Stelle zur Bavaria und übergibst das Ganze an den Typen vom Gesundheitsamt. Okay?«
Er schüttelt den Kopf, immer wieder, aber ich weiß, was das bedeuten soll. Natürlich wird er die Übergabe machen, wenn nötig. Aber er will es noch nicht wahrhaben, dass ich mich wirklich mit Falk treffen will. »Cat … das ist …«
»Ciao«, sage ich und dann umarme ich Andy ganz schnell. Drücke ihn fest an mich, denn wer weiß, wie dieser Tag ausgeht und was morgen sein wird.
Mit langen Schritten gehe ich durch den Laden, vorbei an Yasin, der gerade mit einem Kunden über Funkschnittstellen diskutiert und verblüfft hochschaut, als er mich sieht. Ich hebe kurz die Hand zu einem Gruß, dann bin ich auch schon aus der Tür.
Meine leichten Trekkingstiefel eignen sich nicht besonders gut für eine solche Strecke, aber es wird gehen. Ich hocke mich kurz hin, um die Schnürsenkel festzuziehen, dann laufe ich los. Seit Wochen habe ich nicht mehr trainiert, aber selbst hier, auf diesem Bürgersteig, auf dem ich ständig um Passanten herumkurven muss, finde ich sofort meinen Rhythmus. Meine Füße fliegen über den Boden.
»An der Isar« hat Falk nur geschrieben. Mehr war nicht nötig. Ich weiß noch genau, wo sein Lager war. Damals im letzten Herbst, als er mein Leben für immer verändert
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