Schatten Des Dschungels
Ende der Leitung überraschtes Schweigen. Dann sagt Sarah: »Tja … das Institut für Tropenökologie sucht gerade eine Praktikantin für ihr Labor, ein paarmal wöchentlich nachmittags. Wenn du wirklich was lernen willst, ist das, glaube ich, ’ne prima Gelegenheit. Eigentlich wollen die eher eine Studentin, aber vielleicht kann ich ein gutes Wort für dich einlegen.«
»Danke, echt nett von dir!« Das Institut für Tropenökologie. Wie seltsam. Vor dem haben Falk und ich vor kurzer Zeit noch demonstriert. Aber das hatte mit dem Institut selbst ja nichts zu tun.
Sarahs gute Worte müssen wirklich was getaugt haben, denn ein telefonisches Vorstellungsgespräch und einen Tag später habe ich die Zusage. Nächste Woche, sobald mein Hausarrest beendet ist, fange ich an.
An diesem Wochenende halte ich es kaum aus daheim. Das Einzige, was mir gelingt, ist, die Fotos von Falks und meinen Kunstwerken zu sortieren. Am besten gefällt mir, was wir aus verschieden gefärbten Herbstblättern und einem kleinen Tümpel gemacht haben – die ganze Wasseroberfläche ist von den Blättern bedeckt, wir haben sie so sortiert und aneinandergelegt, dass sie einen Farbverlauf von Gelb zu Rot ergeben. Als meine Mutter zufällig mit einem Wäschestapel hereinkommt, meint sie nach einem kurzen Blick: »Hübsch – ist das Goldsworthy?«
»Was?«, frage ich verblüfft, aber sie ist schon wieder draußen. Ich forsche nach und entdecke, dass ein Künstler namens Andy Goldsworthy im späten zwanzigsten Jahrhundert etwas sehr Ähnliches gemacht hat wie Falk und ich. Nur besser. Oh Mann.
Aus purem Frust färbe ich mir die Haare neu und Juliet zieht mich damit auf: »Soso, Miss Öko schmiert sich mal wieder Chemiepampe in die Haare.«
»Jedem seine kleine Sünde«, brumme ich, während ich mir ein Handtuch um den Kopf schlinge. »Und was ist mit Miss Cool? Soll ich deinen Freunden verraten, dass du noch mit deinem Plüschmarienkäfer kuschelst?«
Juliet wirft ein anderes Handtuch nach mir. »Wehe! Und außerdem hockt der schon drei Wochen im Schrank.«
»Soso, Grausamkeit gegenüber Insekten«, kontere ich grinsend und verziehe mich an den Computer, um mit Eloísa zu chatten.
Am Mittwoch besucht mich Falk daheim, um sich vor der Konferenz zu verabschieden; zum Glück ist gerade nur Juliet da. Mit diesen hellen Augen, deren Blick alles zu durchdringen scheint, schaut Falk sich in meinem Zimmer um, und einen kurzen Moment lang werde ich unsicher, frage ich mich, ob er den Kunstgrasteppich und das orangefarbene wuschelig-langhaarige Sofa peinlich findet, viel zu schrill. Aber er sagt nur grinsend: »Das da sieht aus, als würde es jeden Moment davonkriechen.«
»Du weißt nicht, was es nachts macht«, gebe ich zurück.
Neugierig schaut er sich alle meine Bücher an – ich habe ein paar richtig gedruckte, die meisten geschenkt bekommen –, dreht die Kauri-Schnecke und das Treibholzstück auf meinem Fensterbrett in den Händen, blättert meine Facharbeit über Südamerika durch, die ich letztes Jahr geschrieben habe, schaut sich die virtuelle Landschaft an, die mal eine Klassenarbeit in 3-D-Modellierung war und jetzt als Relief ausgedruckt bei mir an der Wand hängt. Falk erinnert mich an einen Naturforscher, der auf einem fremden Planeten abgesetzt wurde und sofort beginnt, ihn zu erkunden. Nur als Juliet den Kopf ins Zimmer steckt und Hallo sagt, schaut er kurz hoch und lächelt ihr flüchtig zu.
»Hast du eigentlich Geschwister?«, frage ich Falk und hoffe, dass er bald aufs Sofa kommt und zur Abwechslung wieder mich erforscht.
Er wendet sich mir zu und plötzlich fällt mir der ironische Zug um seine Mundwinkel wieder auf. »Rat mal.«
»Einzelkind«, sage ich ihm auf den Kopf zu. »Kommunikation ist jedenfalls nicht so deine Stärke.«
Diesmal ist sein Blick nachdenklich, als er nickt. »Stimmt beides«, sagt er. »Aber vielleicht lerne ich ja was von dir. Und dann verändern wir zusammen die Welt, Cat.« Er lächelt nicht, als er das sagt. Vielleicht meint er es sogar ernst.
Und dann nimmt er mich endlich wieder in die Arme.
Wir reden ein bisschen über die Umweltkonferenz und machen Pläne für Ausflüge, wenn er wieder zurück ist. Als ich ihm von meinem neuen Nebenjob im Institut erzähle, sehe ich Respekt in seinem Blick. »Interessanter Plan.«
»Na klar«, sage ich und bin froh, dass ich selbst auf die Idee gekommen bin, etwas ganz Neues anzufangen. Hoffentlich bin ich keine komplette Niete in meinem neuen Nebenjob,
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