Schatten Des Dschungels
Wolken von Moskitos, die einem angeblich im Regenwald das Leben zur Hölle machen? Mögen ihre Larven kein Schwarzwasser? Ich sehe nur eine einzelne Mücke und eine Menge Glühwürmchen, die hoffnungsfroh versuchen, sich mit den aufstiebenden Funken des Feuers zu paaren. Was leider ein böses Ende nimmt, einige von ihnen trudeln mit versengten Flügeln zu Boden.
Ich höre Schritte im weichen Laub des Dschungelbodens, dann taucht Falk neben mir auf. »Na, wie gefällt es dir bisher, Cat?«
»Zu wenig Schlangen und Moskitos«, beschwere ich mich fröhlich. »Und wo sind eigentlich die Jaguare, die ich bestellt hatte?«
Doch er geht nicht auf meinen lockeren Ton ein, schaut mich stattdessen mit leuchtenden Augen an, nimmt mich in die Arme und drückt mich fest an sich. Er sagt kein Wort, aber ausnahmsweise ahne ich, was ihm durch den Kopf geht. Beide sind wir hier. An diesem magischen Ort. Wir teilen etwas, das uns viel bedeutet. Braucht man mehr, um glücklich zu sein?
Trotzdem wundere ich mich darüber, dass auch die anderen so heiter wirken. Es ist keine Rede mehr davon, dass der Regenwald bedroht ist, dass sein Eigenklima kippen könnte, dass Holzfäller, Konzerne und Farmer jeden Tag mehr Wald umhacken und abfackeln, dass es manchmal so scheint, als könne nichts sie stoppen. Stattdessen füllt Lindy feierlich unsere Plastikbecher mit Bier und ruft: »Trinken wir darauf, dass wir diese Wildnis retten werden! Bald ist es so weit!«
Jonas Kübler, der mir schräg gegenübersitzt, schaut einen Moment lang verdutzt drein und mein Gesichtsausdruck ist wahrscheinlich nicht viel intelligenter.
Aber wir heben beide mit den anderen unseren Becher und stoßen über die Glut hinweg an.
Frösche, die in Bäumen leben
In dieser Nacht bekomme ich wenig Schlaf. Falk hat mir gezeigt, wie man sich am besten in so eine Hängematte legt – diagonal –, und bequem ist es schon, aber dafür unglaublich laut. Überall pfeift, klickt, zirpt und schnarrt es, dazwischen erklingen Töne wie von einer kleinen Glocke. Ich habe keine Ahnung, was für Tiere all diese Laute hervorbringen. Affen, Vögel, Insekten?
Als mir endlich die Augen zufallen, ertönen aus dem Wald plötzlich Schreie, die klingen, als würde man einem kleinen Kind gerade ein Messer in die Handfläche rammen. Eine Gänsehaut überzieht meine Arme. Rasch krame ich meine Stirnlampe hervor und leuchte um mich.
»Ob du’s glaubst oder nicht, das sind Frösche«, murmelt Falk aus der Hängematte neben mir. »Versuch trotzdem zu schlafen, morgen früh geht’s bei Sonnenaufgang los.«
»Mir ist kalt«, flüstere ich zurück. Mehr als fünfzehn Grad sind es bestimmt nicht!
»Dann zieh dir Socken an.«
Gute Idee. Praktischerweise hat mir meine Mutter zum Abschied selbstreinigende Silber-Ionen-Socken geschenkt. Aber es ist unglaublich gruselig, jetzt die Hängematte verlassen zu müssen, denn ich weiß, dass Spinnen und Skorpione nachts auf die Jagd gehen. Barfuß setze ich hier keinen Fuß auf die Erde. Zum Glück denke ich daran, meine Schuhe vor dem Anziehen auszuschütteln, im Schein meiner Stirnlampe sehe ich irgendetwas Schwarzes herausfallen und davonwuseln. Oh mein Gott, was war das? Ich wühle mich durch mein Gepäck, finde nach einer gefühlten Ewigkeit die Socken und flüchte mich zurück in mein Stück Stoff über dem Boden. Mit warmen Füßen und selbst gebastelten Ohrstöpseln schaffe ich es endlich, wegzudämmern.
Am frühen Morgen falle ich einmal versehentlich aus der Hängematte und fluche die anderen wach, weil ich auf dieses blöde kantige SAM-Gerät gefallen bin, das Abschiedsgeschenk meines Vaters. Aber das macht nichts, kurz darauf erklingen sowieso kehlige Rufe aus den Baumkronen, die nicht viel leiser sind als meine Flüche. Das müssen Brüllaffen sein. Besser als jeder Wecker und tausendmal cooler.
Um mich herum schwanken Hängematten, der Schein von Stirnlampen tanzt durchs morgendliche Halbdunkel und es beginnt nach Kaffee zu riechen.
Auch Falk klettert neben mir aus seiner Hängematte und gähnt. »Ich hatte einen echt fiesen Traum«, erzählt er und fährt sich mit beiden Händen durch die verstrubbelten blonden Haare. »Du hast einen anderen geküsst, und als ich zu dir gelaufen bin, hast du behauptet, mich nicht zu kennen.«
Darauf gibt es nur eine Antwort. Ich gehe zu ihm, nehme ihn in die Arme und küsse ihn. Etwas zögernd erwidert er die Umarmung, aber dann spüre ich, wie sein Körper sich entspannt, und jetzt küsst er mich
Weitere Kostenlose Bücher