Schatten Des Dschungels
endlich zurück, warm und weich verschmelzen unsere Lippen.
»Soso, ich glaube, du kennst mich doch«, sagt er schließlich. »Noch ein kleiner Test: Wie heiße ich?«
»Sean Preston Spears?«
»Kann nicht sein. Ich sehe keine Paparazzi.«
»Die haben sich hinter den dicken Baumstämmen versteckt und richten gerade ihre Teleobjektive auf uns.«
Falk grinst. »Einmal darfst du noch raten.«
»Bond, James Bond?«
»Hey, woher hast du das gewusst?« Diesmal ist er es, der mich küsst.
Als ich wieder zu Atem gekommen bin, sage ich: »Ich hab geschwindelt – du kannst nicht Bond sein, weil du nicht mit irgendwelchen dämlichen Knarren rumlaufen würdest.«
»Nee, aber ich kann mir ja eine Machete kaufen – auch nicht übel, oder?«
»Schon besser. Aber ob du damit den verrückten Wissenschaftler beeindruckst, der gerade dabei ist, mit seinen Experimenten die Welt in die Luft zu jagen?«
Als wir alle zusammen beim Frühstück sitzen, ist es gerade richtig hell geworden. Frisch und nebelig ist es am frühen Morgen im Wald und von hoch oben aus dem Kronendach tropft mir Tau ins Gesicht. Bevor ich meinen Tee austrinken kann, muss ich erst mal einen großen Käfer herausfischen.
»Okay, Leute«, sagt Michelle und ruft auf ihrem wasserdichten Holo-Pad eine To-do-Liste auf. »Es gibt viel zu tun. Los geht’s!«
Eine Stunde später hänge ich in dreißig Meter Höhe im Laubwerk eines Regenwaldbaumes und schreie: »Da ist einer!«
»Na endlich, ich habe schon befürchtet, wir finden gar keinen mehr.« Ein paar Meter weiter schwebt Jonas Kübler, wir sind beide angeseilt wie Bergsteiger und tragen Sicherheitshelme. Ein gepolsterter Gurt, der an einem der Seile festgehakt ist, umschließt meine Hüfte, ich sitze praktisch in der Luft. Um mich hoch- und runterzubewegen, reicht ein Knopfdruck, und mit einem leisen Summen setzt sich eine elektrische Winde in Gang, die mich am Seil hochzieht oder herablässt. Sich seitwärts zu bewegen ist schwerer, dafür habe ich einen verlängerbaren Metallhaken bekommen, mit dem ich mich an Ästen festhaken und heranziehen kann.
Ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist es schon, so hoch oben zu sein, ohne die geringste Möglichkeit, sich festzuhalten. Aber erstens kenne ich das von früher, aus dem Klettergarten der Waldschule, und zweitens soll ich hier nach winzigen, bunten Fröschen Ausschau halten. Für Angst habe ich keine Zeit.
Mein Job ist vor allem das Suchen, alles Weitere erledigt Jonas selbst. Als Schutz vor dem direkten Kontakt mit den Fröschen trägt er zwei Paar Einweghandschuhe übereinander.
»Wo ist er?«, ruft Jonas und ich zeige es ihm. Der an Bauch und Beinen azurblau gefärbte Frosch sieht aus wie ein winziges Juwel zwischen den Blättern. »Ein Färberfrosch. Erst vor ein paar Jahren entdeckt. Hat ’nen witzigen lateinischen Namen. Er heißt Dendrobates stawikowskii.« Jonas ist total aufgekratzt, seit wir auf Froschsuche sind. Unsere Aufgabe ist, festzustellen, wie viele Amphibienarten es hier noch gibt; später im Labor werden dann die Zellproben untersucht, um zum Beispiel festzustellen, wie alt der Frosch war und wie es um seinen Gesundheitszustand bestellt war.
Vorsichtig nähert sich Jonas ihm, schießt ein paar Fotos aus der Nähe, trägt den Artnamen, Fundort und Uhrzeit in sein Pad ein und zückt anschließend ein Wattestäbchen, um eine Probe der Hautzellen zu nehmen. »Alles im Kasten«, meldet er schließlich zufrieden. »Halt Ausschau nach weiteren Fröschen, okay?«
Dieser Wald ist wirklich eigenartig. Bei uns wachsen die meisten Pflanzen unten am Boden, in der Erde. Hier im Regenwald ist es genau umgekehrt, am Boden ist wenig los, stattdessen sitzen die Pflanzen auf den Bäumen und wuchern dort wie verrückt. Neben mir in luftiger Höhe strecken Farne ihre Wedel aus, sehe ich Büschel von lila-weißen Orchideen, die mit ihren dünnen Wurzeln alle notwendigen Stoffe direkt aus der Luft aufnehmen. Auf einem anderen Ast wächst eine Bromelie, ihre spitz zulaufenden Blätter ragen nach allen Seiten. In ihrer becherförmigen Mitte entdecke ich einen winzigen Teich mit einer Kaulquappe darin.
»Schau mal!«, quietsche ich und Jonas kommt sofort heran. Aber er schenkt der Kaulquappe nur einen kurzen Blick. »Ja, so was sieht man oft. In den Flüssen und Bächen gibt’s hier keine Frösche. Stattdessen leben die Amphibien in den Bäumen.«
»Und wahrscheinlich wohnen die Vögel dafür am Boden?«, frotzele ich.
»Nein, natürlich nicht«, sagt
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