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Schatten Des Dschungels

Schatten Des Dschungels

Titel: Schatten Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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oder nicht.«
    »Ich verstehe auch nichts davon.« Wieder fühle ich mich so furchtbar hilflos. »Trinkt sie genug? Wenn ich Fieber habe, zwingt meine Mutter mich immer, literweise Tee in mich hineinzuschütten.«
    »Ich gebe ihr ständig Wasser.« Falk zeigt auf eine Plastikflasche, die auf dem Boden neben der Hängematte steht. »Mist, schon wieder leer.«
    »Sag mal, habt ihr eigentlich vorher getestet, wie diese Krankheit wirkt?«, frage ich ihn. »Wusstet ihr … das?« Ich deute auf Lindy.
    Falk wirkt nicht gerade glücklich. »Klar haben wir es getestet. Letztes Jahr in Kanada. Michelle hat sich freiwillig gemeldet, Pancake hat sie betreut. Es verlief anders, nicht so heftig.«
    Ganz schön mutig von Michelle. Jetzt kann ich mir denken, warum sie sich freiwillig für die erste Krankenpflege-Schicht gemeldet hat – als Einzige von uns kann sie nachfühlen, was Lindy jetzt durchmacht. »Vielleicht liegt es am Regenwaldklima«, meine ich. »Ich habe mal gelesen, dass sich hier in der Wärme und Feuchtigkeit auch kleine Verletzungen schnell entzünden.«
    »Kann sein«, sagt Falk müde und steht auf, die Wasserflasche in der Hand. »Ich hole erst mal Nachschub.« Er geht davon und tritt dabei auf ein Probengefäß, das jemand hat herumliegen lassen. Knack – ein Ausrüstungsteil weniger.
    Das scharfe Geräusch weckt Lindy einen Moment lang auf, und mit Grauen sehe ich, dass auch die Schleimhäute um ihre Augen herum rotschwarze Flecken zeigen. Sie öffnet den Mund, um etwas zu sagen, und bringt nur ein schwaches Krächzen hervor. Im Licht der Taschenlampe sehe ich, dass ihre Zunge sich schwarz verfärbt hat. Es kostet mich meine sämtliche Willenskraft, nicht aufzuspringen und zurückzuweichen.
    Und das hier haben wir auch diesen Holzfällern angetan – und ihren Familien und ihrem Dorf! Wenn sie so weit gekommen sind. Vielleicht haben es einige der Kerle nicht mal aus dem Wald hinaus geschafft, vielleicht sind sie einfach liegen geblieben und auf dem Weg nach Hause gestorben. So, wie Lindy vielleicht hier im Dschungel sterben wird, weil dieser Erreger so gefährlich ist.
    In diesem Moment wird mir klar, was es bedeutet, eine Krankheit auf die Welt loszulassen. Mir wird klar, dass das Projekt Last Hope ein entsetzlicher Fehler war und ist. Wir haben die Büchse der Pandora geöffnet … und jetzt fliegt uns ihr Inhalt um die Ohren. Wie konnten wir nur ein solches Risiko eingehen? Es gibt nur noch eine Chance, das Schlimmste zu verhindern: Ich muss irgendeinen Weg finden, die Menschen zu warnen.
    Aber ich schulde Falk eine letzte Chance. Als er zurückkommt, frage ich ihn: »Ist das Projekt Last Hope jetzt eigentlich abgeblasen?«
    Lange ruht sein Blick auf Lindy und im schwachen grünen Licht sieht sein Gesicht wie versteinert aus. Und genauso fühle ich mich ebenfalls … versteinert. Schwer und langsam klopft mein Herz in meiner Brust, während ich auf seine Antwort warte. Schließlich schüttelt er den Kopf. »Wir haben es ja deswegen so genannt, weil es die letzte Hoffnung ist. Wenn wir diese Hoffnung wegwerfen, dann …« Noch einmal schüttelt er den Kopf.
    »Aber wir müssen sie in ein Krankenhaus bringen, siehst du das wenigstens ein?« Am liebsten würde ich ihn anschreien.
    Er zögert, sagt schließlich: »Ich glaube, dafür ist es schon zu spät. Vielleicht würde sie den Transport nicht überstehen. Außerdem ist es besser, wir halten sie hier isoliert. Wegen der Ansteckungsgefahr.«
    »Genau – die Ansteckungsgefahr«, sage ich verzweifelt. »Die Gefahr ist zu hoch. Bitte blas das Projekt ab, Falk.«
    Ich bekomme keine Antwort, Falk blickt nur in den Dschungel.
    In diesem Moment weiß ich, dass ich Falk aufgeben muss. Auch nur daran zu denken tut so weh, dass ich keine Worte mehr finde, sondern ohne Abschied zu meiner Hängematte taumele. Ich fühle den Riss zwischen uns im ganzen Körper. Falk denkt noch immer, dass der Zweck die Mittel heiligt, aber ich kann das nicht mehr. Der Preis ist zu hoch. Und ich kann es ihm nicht einmal sagen, sonst schaffe ich nicht, diesen Wahnsinn zu stoppen.
    Ich liege in meiner Hängematte und weine lautlos, unaufhaltsam rinnen die Tränen über meine Wangen. Doch irgendwie schaffe ich es gleichzeitig, nachzudenken. Vielleicht könnte ich versuchen, von einem anderen Handy heimlich bei der Polizei anzurufen. Besser nicht beim Tropeninstitut, wer weiß, ob die nicht in der ganzen Sache mit drinhängen. Doch was kann die Polizei schon mit so einer vagen Mitteilung

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